07.10.2021Hintergrund

Digitalisierung: Streitthema oder Harmonie?

Der DMB analysiert die bisherige Digitalpolitik der Ampel-Regierung auf bedeutende Schwerpunkte für den Mittelstand.


SPD, Grüne und FDP sondieren über eine mögliche „Ampel-Koalition“. Doch wie gut passen die Parteien inhaltlich zusammen und wo gibt es Konfliktpotential in den Gesprächen? Der DMB zeigt mit seiner „Koalitionsampel“ auf, wo Streitpunkte liegen.

Themenbereich Digitalisierung

Das Politikfeld Digitalisierung gilt insgesamt nicht als ein großes „Konfliktfeld“ zwischen möglichen Bündnispartnern. In die anstehenden Koalitionsverhandlungen bringen die Parteien zwar unterschiedliche Standpunkte und Lösungsvorschläge ein, unüberwindbare Differenzen sind aber in allen drei derzeitig rechnerisch möglichen Koalitionsoptionen nicht zu erkennen.

 

Einführung eines Digitalministeriums

Deutschland hinkt bei der Digitalisierung im internationalen Vergleich hinterher. Die Parteien und möglichen Bündnispartner haben unterschiedliche Positionen, wie die Digitalisierung künftig gesteuert werden soll. Die Unionsparteien und die FDP wollen ein Digitalisierungsministerium schaffen. In diesem neuen Ressort sollen Kompetenzen gebündelt und mit anderen Ressorts verknüpft werden.

Die Grünen haben sich klar gegen ein solches Ressort ausgesprochen. Spitzenkandidatin Annalena Baerbock hatte dies im Wahlkampf auch mehrfach bekräftigt.

Die SPD positioniert sich in dieser Frage nicht eindeutig: „Herkömmliche Organisationsformen sind mit der Gestaltung des digitalen Wandels überfordert.“ Bekennt aber, dass „eine strategische Steuerung mit einer klaren Mission aus dem Bundeskanzleramt“ notwendig sei. Auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz wollte sich vor der Wahl in dieser Frage nicht eindeutig festlegen.

Bei einem Ampel-Bündnis könnte die Frage nach einem Digitalministerium zumindest kleinere Kontroversen befördern. Denn die Grünen sind gegen die Einführung, die FDP ist dafür. Die SPD hat sich neutral in dieser Frage positioniert und könnte das Zünglein an der Waage spielen. Großes Konfliktniveau ist bei dem Thema allerdings nicht zu erwarten.
 

 

Breitband- bzw. Gigabitausbau / 5G-Ausbau beschleunigen

Deutschland hinkt auch beim Ausbau der digitalen Infrastruktur im internationalen Vergleich hinterher. Dies wirkt sich als Standorts- und Wettbewerbsnachteil aus. Alle Parteien halten einen zügigeren und planvolleren Infrastrukturausbau für unabdinglich. Trotz unterschiedlicher Ansatzpunkte gibt es in dieser Frage kaum Konfliktpotential.

Neben der SPD, die bis 2030 eine "digitale Infrastruktur auf Weltniveau" schaffen will, haben auch die Grünen ambitionierte Ausbauziele, wollen gar den „Rechtsanspruch auf schnelles Internet“ einführen. Die FDP will über „Gigabit-Gutscheine für Privathaushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen“ einen „wirksamen Anreiz für Investitionen in den Gigabit-Netzausbau“ schaffen. Konfliktpotenziale lassen sich hier höchstens in Umsetzungs- und Finanzierungsfragen erahnen.
 

 

IT-Sicherheit / Cybersecurity stärken

Nicht nur der Bundestag ist in der Vergangenheit Opfer von Angriffen auf die IT gewesen, sondern auch zahlreiche Unternehmen, wodurch sensible Daten verloren gehen oder erbeutet werden. Alle Parteien sind sich einig, dass Deutschland bei der digitalen Sicherheit „aufrüsten“ muss.

Cybersicherheit ist für die SPD eine wesentliche Grundlage für die Digitalisierung. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) soll zu zentralen Cybersicherheitsbehörde ausgebaut werden. Die FDP will eine „agile Cybersicherheitsstrategie“ erarbeiten, da Cybersicherheit  „die Achillesferse des Informationszeitalters“ sei. Die Grünen sehen hier insbesondere den  „Staat […] in der Pflicht, die Bevölkerung effektiv vor […] Angriffen zu schützen.“  Die Partei will die „Früherkennung, Analyse und das gemeinsame Vorgehen staatlicher Stellen“ verbessern.
 

 

E-Government-Strukturen ausbauen

Deutschland muss digitaler werden – auch der Staat und seine Verwaltung. E-Government kann als als elektronisches Regierungs- und Verwaltungshandeln verstanden werden, das Transparenz und Effizienz stärkt und Unternehmen entlastet. Auch in dieser Frage sind sich die Parteien grundsätzlich einig: es muss besser (und schneller) mit der Veraltungsdigitalisierung vorangehen.  

Die FDP bezeichnet die Verwaltungsmodernisierung als „Megaprojekt“ und will die „Digitalisierung der Verwaltung vorantreiben“. Die Sozialdemokraten wollen zügig die „vollständig und durchgängig digitalisierte Verwaltung“ – spätestens bis 2030. Die Grünen planen die Verwaltung zu modernisieren, wollen sie überdies „kreativer, digitaler und innovativer machen“. Konflikte sind hier bislang nicht auszumachen. Wobei die Frage nach verbindlichen Zielen und genauen Umsetzungen politische Reibung erzeugen könnte.
 

 

Europäischen Digitalen Binnenmarkt vorantreiben

Auch im digitalen Bereich sollten endlich die gleichen Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen im gesamten Binnenmarkt der Europäischen Union gelten, damit alle Marktteilnehmer EU-weit nach den gleichen Regeln und Rahmenbedingungen agieren können.

Die SPD hat sich im Wahlkampf nicht klar zum digitalen Binnenmarkt positioniert, will aber für Plattformkonzerne „gemeinsam mit den EU-Mitgliedsstaaten eine starke und präzise Regulierung schaffen, den Wettbewerb sichern und alternative Angebote fördern.“ Die FDP sieht insbesondere den Nutzen für die europäische Wirtschaft im digitalen Binnenmarkt, so sollen Geschäftsmodelle „europaweit einfacher skalierbar werden“ und „regulierungsbedingte Barrieren“ abgebaut werden.  Für die Grünen ist der digitale Binnenmarkt hingegen wieder eher ein Mittel, um internationale Plattformkonzerne dazu zu verpflichten, „europäische Qualitäts- und Sicherheitsstandards“ einzuhalten. Allzu großes Konfliktpotential ist hier nicht zu erwarten, auch wenn die Parteien recht unterschiedliche Prioritäten haben.
 

 

Datenschutzpflichten für Unternehmen ausweiten

Schon heute müssen KMU in Deutschland zahlreiche Dokumentationspflichten im unternehmerischen Alltag erfüllen und Vorgaben des Datenschutzes nachkommen. Die DSGVO ist hier ein jüngeres Beispiel. Die Frage, ob Unternehmen mehr „Datenschutzpflichten“ zuzumuten sind, wird von den möglichen Ampel-Koalitionären recht unterschiedlich bewertet. Ein möglicher Konfliktpunkt.

Die SPD bezeichnet die DSGVO als „ein wichtiger Meilenstein“.  Einen Schwerpunkt legen die Sozialdemokraten auf den Beschäftigtendatenschutz, hier soll „ein Verbandsklagerecht der Gewerkschaften und ein Beschäftigtendatenschutzgesetz“ eingeführt werden. Die FDP will das Datenschutzrecht „konsequent weiterentwickeln“ und insbesondere darauf achten,  dass die die Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen stärker berücksichtigt werden. Die Grünen sprechen sich für einen „effektive[n] und moderne[n] Datenschutz“ aus, ohne konkrete Schwerpunkte zu benennen. Auch hier gibt es keine unüberwindbaren Differenzen, die Pläne für ein Beschäftigtendatenschutzgesetz könnten allerdings für Zündstoff sorgen.
 

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