08.05.2023Interview

„Eine Investition in Employer Branding lohnt sich auf jeden Fall“

KMU, die es schaffen, sich als attraktive Arbeitgeber gegenüber potenziellen Bewerbern zu positionieren und ihre Stärken zeigen können, haben bei der Suche nach Personal künftig gute Aussichten. Employer Branding hilft dabei.

Der Wettbewerb um die besten Arbeits- und Fachkräfte wird für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) immer intensiver. Nur wer es schafft, sich gegenüber gewünschten Bewerbern als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren und seine Stärken zeigen kann, hat auf dem Personalmarkt künftig gute Aussichten. Beim Employer Branding geht es darum, sich als Arbeitgeber in einem angespannten Arbeitsmarkt optimal zu positionieren. Bärbel Bloemer und Marion Pelz von der Kreativagentur Rheinarmada stellen das Konzept des Employer Brandings in diesem Interview vor und erklären, wie KMU es bestmöglich für sich nutzen können.

Frau Pelz, Frau Bloemer, was verbirgt sich hinter dem Begriff Employer Branding?

Marion Pelz: Employer Branding kennzeichnet den Aufbau und die Pflege von Unternehmen als Arbeitgebermarke. Darunter kann man alle kommunikativen Maßnahmen verstehen, die dazu dienen, das Unternehmen als Arbeitgeber attraktiv für potenzielle Bewerbende und auch für Mitarbeitende zu machen. Im Wesentlichen geht es darum, aufzuzeigen, welche Potenziale die Unternehmen ihren Mitarbeitern bieten können. Diese Inhalte und Botschaften müssen ansprechend kommuniziert werden.

Bärbel Bloemer: Im Grunde wirken bei der Wahl einer potenziellen Arbeitsstelle die gleichen Mechanismen wie bei einer modernen Partnersuche. Damit es zum Match kommt, ist es wichtig, die Werte, für die man steht, zu präsentieren und zu zeigen, dass man authentisch, transparent und wertschätzend agiert. Außerdem kommt es darauf an, dort präsent zu sein, wo die Suche stattfindet. Es ist wichtig, mit den eigenen starken Werten zu versuchen, eine langfristige Beziehung zu erzeugen.

Warum sollten sich gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit dem Thema Employer Branding beschäftigen?

Bloemer: Das ist größtenteils dem demografischen Wandel geschuldet. Bis 2035 werden sieben Millionen Arbeitskräfte fehlen. Das entspricht einem Siebtel des heutigen Arbeitsmarktes. Dadurch entsteht mit der Zeit ein ungeheurer Arbeits- und Fachkräftemangel. Das wiederum verursacht einen erhöhten Wettbewerb um neue Arbeitskräfte, der für KMU besonders spürbar ist. Diese Unternehmen fliegen im Gegensatz zu den großen Unternehmen ohnehin schon unter dem Sichtradar der Bewerber. Für KMU sinkt somit die Zahl der Bewerber und die qualitative Passung ist gar nicht zu erreichen. Die Transformation vom Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt ist schon längst vollzogen und wird sich nicht mehr umkehren lassen. Dieser Tatsache müssen sich KMU stellen und ins Handeln kommen.

Pelz:Um dieser Herausforderung zu entsprechen, ist Employer Branding ein sehr wichtiges Tool, das viele Unternehmen bereits intern nutzen können. Dabei ist es wichtig, sich sichtbar und attraktiv nach außen darzustellen und als sogenannter Matching Magnet zu fungieren. Indem man seine Haltung, seine Werte und andere Vorteile kommuniziert, findet man auch diejenigen, die zum Unternehmen passen. Das bietet KMU einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil im Kampf um neue Fachkräfte sowie auch Auszubildende. Ebenfalls dient es dazu, die eigenen Mitarbeiter länger im Unternehmen zu halten. Allein Mit den richtigen Mitarbeitern ist schon ein sehr großer Schritt zum erfolgreichen Unternehmertum geschafft, wenn nicht sogar der wichtigste. Wenn das nicht funktioniert, leidet auch die Qualität solcher Unternehmen. Viele KMU geben stattdessen sehr viel Geld für Recruiting aus, was auch dabei hilft, den akuten Fachkräftebedarf zu decken. Als langfristige Lösung ist Employer Branding aber deutlich effizienter und wirklich essenziell gerade für die KMU, die eben noch keine Sichtbarkeit haben.

Spricht man Unternehmer auf das Thema Employer Branding an, herrscht manchmal der Eindruck, dass es sich dabei um reines Fassaden-Marketing handelt, das aber nicht dabei hilft, Personalengpässe im Mittelstand zu beseitigen. Was würden Sie darauf antworten?

Pelz: Unternehmer wissen oft nicht so genau, was Employer Branding eigentlich bedeutet. Dann fällt auch mal der Begriff „Employer Blending“, da kann man sich dann schon denken, was mögliche Gründe für diese Vorurteile sind. Oft werden die Maßnahmen des Employer Brandings nicht richtig durchdrungen, eventuell in der falschen Reihenfolge oder inkonsequent und somit nicht nachhaltig durchgeführt. Es werden beispielsweise Mitarbeiter nicht mit ins Boot geholt, die dann schneller dagegen sein können. Ebenfalls kann es auch problematisch sein, dass ein Unternehmen sich nicht traut, authentisch zu kommunizieren und eine eigene Haltung vertritt. Es ist oft auch so, dass es intern an Klarheit mangelt. In Wahrheit beginnt Employer Branding nämlich genau im Inneren des Unternehmens. Es sollte am Ende nichts nach außen kommuniziert werden, was nicht im Inneren vorhanden ist.

Und natürlich muss auch das Management die eigene Sprache finden. Es ist sehr bedeutend, seine eigenen Stärken in der Kommunikation hervorzuheben, aber auch seine Schwächen zu kennen und zu verstehen. Dadurch wird man authentisch. Als Unternehmer hilft es, sich die Frage zu stellen: Möchte ich in meinem Unternehmen als Angestellter arbeiten? 

Unter welchen Umständen können KMU auf Employer Branding verzichten?

Bloemer: Wenn ein Unternehmen zum Beispiel keine Mitarbeiter braucht oder nicht wachsen will. Oder aber, wenn es nichts zu erzählen hat, es also beispielsweise keine Unternehmensgeschichte gibt. In der Regel existieren solche Unternehmen aber eigentlich nicht. Es gibt immer einen Grund, warum Unternehmen entstanden sind und wofür sie stehen. Aber es gilt, genau diese Aspekte zu konkretisieren, sie für die gewünschten Kandidaten aufzubereiten und vor allen Dingen in deren Sprache zu kommunizieren. Wenn das alles nicht geschieht, spricht das natürlich auch eine eigene Sprache. Da gibt es den passenden Satz des Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick: Man kann nicht nicht kommunizieren.

Können Sie ein konkretes Beispiel für ein gelungenes Employer Branding nennen?

Pelz: Stellen sie sich einen Unternehmer vor, der Schiffsbauer ist und ein Schiff bauen möchte. Um dafür Fachkräfte zu gewinnen, ist es nicht besonders erfolgreich, mögliche Angestellte auf den Material- und Arbeitszeitaufwand hinzuweisen, sondern eher die Geschichte zu erzählen, welche großartigen Reisen über die Weltmeere durch das Ergebnis der Arbeit möglich werden. Das verstehen wir unter einer Mission. Ein weiteres Beispiel: Ein Unternehmen stellt Schrauben her. Die Werbung mit der Herstellung der Schrauben und dem Material, das man für die Schrauben braucht, ist nicht effizient, um sich als Unternehmen mit einer Mission darzustellen. Aber wenn man potenziellen Bewerbern oder den Mitarbeitern erläutert, in welchen Maschinen oder Bauwerken diese Schrauben verarbeitet sind und was sie überhaupt möglich machen, können deutlich mehr Fachkräfte erreicht werden. 

Durch die Inflation stehen viele KMU derzeit unter einem immensen finanziellen Druck. Viele Unternehmer fragen sich daher, ob sich eine Investition in Employer Branding für Sie überhaupt lohnt. Wie sehen Sie das?

Pelz: Eine Investition in Employer Branding lohnt sich auf jeden Fall, weil eine starke Arbeitgebermarke bedeutend für die Zukunft eines Unternehmens ist. Es ist eine gute langfristig angelegte Investition in die eigene Zukunftsfähigkeit. Wenn man es richtig anwendet, sinken die Recruitingkosten auf lange Sicht, das Gehalt wird den Angestellten weniger wichtig und stellt nicht die einzige Motivationsgrundlage dar. Die Personalabteilung wird mittelfristig entlastet da die Fluktuation sinkt, die Bewerberqualität verbessert sich und die Motivation sowie das Engagement der Mitarbeiter steigen. 

Wenn das nicht kommuniziert wird, sehen die Mitarbeiter keine Motivation für ihre Arbeit und achten bei der Arbeitgeberwahl lediglich auf das Gehalt. So lassen sich Angestellte nicht an ein Unternehmen binden. Wir wissen zudem, dass eine gute Arbeitgebermarke auch eine hohe Strahlkraft auf die Geschäftskunden und das allgemeine Image in der Öffentlichkeit hat. Wenn das kein Mehrwert ist!

Was können KMU tun, um mit Employer Branding anzufangen? Was wären die ersten Schritte?

Pelz: Unternehmer müssen sich sehr konkrete und ernsthafte Fragen stellen. Eine der Kardinalfragen könnte hier sein: Warum sollte sich eine Person bei meinem Unternehmen bewerben? Oder warum sollte sie sich gerade nicht bewerben? So werden die eigenen Stärken und Schwächen aufgedeckt.

Mitarbeiterbefragungen sind ebenfalls sehr wichtig. Die Meinung der Angestellten ist aussagekräftig für die ersten Schritte. Auch müssen sich Unternehmen ihrer Bewerberstrukturen bewusstwerden und sogenannte Candidate Personae, also die typischen Bewerberprofile mit ihren Wünschen, Vorlieben und Verhaltensweisen entwickeln. Man sollte diese Bewerbertypen visualisieren und benennen, wie und wo sie erreicht werden können.

Bloemer: Ein weiteres Thema ist das Definieren der eigenen Unternehmenswerte. Da kann man sich Gedanken machen, weil da wahrscheinlich schon einiges da ist, aber es muss klar definiert werden. Man muss sich über den übergeordneten Zweck des eigenen Unternehmens im Klaren sein. Das ist einerseits Chefsache, erfordert aber auch die Rücksprache mit dem Team, da dieses die Werte auch vertreten muss. Aus all diesen Erkenntnissen kann dann ein Plan und Botschaften, die nach innen und außen kommuniziert werden sollen, festgelegt werden.

Das klingt gar nicht so schwierig. Warum ist Employer Branding in der Praxis trotzdem noch nicht überall gang und gäbe?

Bloemer:Meist stellen wir fest, dass Unternehmer sich selbst im Wege stehen oder aber den eingeschränkten innerbetrieblichen Blick haben. Es erfordert den Wechsel der Perspektive, sich in die Zielgruppen hineinzudenken. Außerdem ist es in den meisten Unternehmen so, dass diese Aufgabe den Personalabteilungen zusätzlich aufgehalst wird. Und das funktioniert eben nicht. Weil die Aufgabe eine sehr komplexe ist und immer nach den dringenden to do‘s kommt und sie nicht allein von der Fachabteilung gelöst werden kann.

Pelz: Es erfordert ein Zusammenwirken von Human Resources, Management und weiteren Abteilungen, vom Geschäftsführer bis hin zum Hausmeister. Meist erweist sich externe Hilfe für die Steuerung und Durchführung als hilfreich. Externe erkennen häufig schneller, was in den Betrieben an Positivem vorhanden ist. Das sind oft eine ganze Menge an Themen. Aber die Unternehmen finden oft keine Worte dafür, weder zu ihren Mitarbeitern, geschweige denn nach außen. Denn viele sind unsicher, wie sie an die Öffentlichkeit treten sollen. Wir ermutigen die Unternehmen: „Tue Gutes und rede darüber“. Es geht stets um Kommunikation der richtigen Botschaften an die gewünschten Zielgruppen, um den Kontakt mit den Kandidaten. Dafür braucht es jedoch eine Strategie.

Lässt sich Employer Branding nur mithilfe von Expertinnen wie Ihnen erfolgreich umsetzen?

Pelz: Es spielt keine Rolle, für welchen Weg sich ein Unternehmen entscheidet. Wenn der Betrieb sehr gut organisiert ist, die Mitarbeiter die erforderliche Zeit aufwenden können und es eine gute Anleitung gibt, kann Employer Branding auch eigenständig durchgeführt werden. Die Hauptsache ist, dass es zum Teil der Unternehmensstrategie mit einem festen Konzept wird. Ein Vorteil von externen Fachleuten ist aber natürlich der Blick von außen sowie das Fachwissen über die passenden Methoden.

Wir sehen im Employer Branding eine Riesenchance für jene Unternehmen, die noch nicht sichtbar sind und auch für Bewerber, aus der Generation Z zum Beispiel, die durch eine gelungene Kommunikation für sie interessante KMU kennenlernen und sich bestenfalls bei ihnen bewerben. Für Interessierte bieten wir deswegen immer wieder interaktive Life- Impulsvorträge, die zeigen, welche Chancen darin liegen und wie man die ersten Schritte unternimmt. Ihre Mitglieder sind dazu immer herzlich eingeladen.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Pelz und Frau Bloemer!

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