26.07.2023Interview

„Kultur schaffen, die agiles Denken und Innovation fördert“

Remote-Arbeit und flexible Arbeitszeiten werden durch die Digitalisierung und den demografischen Wandel weiterhin an Bedeutung gewinnen.

Zukunftsforscherin Prof. Dr. Anabel Ternès beschäftigt sich damit, wie die Arbeitswelt von morgen aussehen wird. Im Interview mit dem DMB erklärt sie, wie sich der Arbeitsalltag der Beschäftigten künftig verändert und in welchen wirtschaftlichen Bereichen sie die größten Veränderungen erwartet. Beschäftigte und Führungskräfte erfahren außerdem, welche Schlüsselkompetenzen und welches Mindset sie künftig benötigen, um in der Arbeitswelt von morgen erfolgreich zu sein.

Frau Prof. Dr. Ternès, welche Faktoren werden die Arbeitswelt künftig verändern und wie wirkt sich dies auf den Arbeitsalltag der Beschäftigten aus?

Technologische Entwicklungen wie künstliche Intelligenz, Automatisierung und Robotik werden weiterhin Fortschritte machen und bestimmte Aufgaben automatisieren. Dies kann zu einem Wandel in der Arbeitsplatzgestaltung führen, bei dem repetitive und manuelle Tätigkeiten von Maschinen übernommen werden, während menschliche Arbeit sich auf komplexere und kreative Aufgaben konzentriert.

Der demografische Wandel wird ebenfalls Auswirkungen haben. Eine alternde Bevölkerung und der Eintritt der Generationen Y und Z in die Arbeitswelt werden zu einer Veränderung der Arbeitsbedingungen und -erwartungen führen. Flexibilität, Work-Life-Balance und Sinnstiftung werden wichtige Aspekte sein, um Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten.

Die Globalisierung und die Digitalisierung der Kommunikation ermöglichen eine zunehmende Vernetzung von Unternehmen und Mitarbeitenden auf der ganzen Welt. Virtuelle Teams, Diversity und Fernarbeit werden an Bedeutung gewinnen, was zu flexibleren Arbeitsmodellen und einer größeren geografischen Mobilität führt.

Darüber hinaus wird die Nachhaltigkeit eine immer wichtigere Rolle spielen. Unternehmen werden sich verstärkt auf umweltfreundliche Praktiken konzentrieren und soziale Verantwortung übernehmen. Dies kann zu neuen Berufsfeldern und Veränderungen in der Unternehmenskultur führen, z. B. zu mehr Flexibilität.

Unterliegen alle Branchen und Berufe den gleichen Veränderungen ihrer Arbeitswelt? In welchen wirtschaftlichen Bereichen erwarten Sie die größten Veränderungen?

Nicht alle Branchen und Berufe unterliegen den gleichen Veränderungen in ihrer Arbeitswelt. Die Art und das Ausmaß der Veränderungen hängen von verschiedenen Faktoren ab, darunter technologischer Fortschritt, Marktbedingungen und gesellschaftliche Entwicklungen.

In Bezug auf die größten Veränderungen in wirtschaftlichen Bereichen lassen sich einige Trends identifizieren. Erstens wird die Digitalisierung weiterhin eine bedeutende Rolle spielen und Veränderungen in vielen Branchen vorantreiben. Technologien wie Künstliche Intelligenz, VR, Automatisierung und Big Data werden Prozesse optimieren und neue Geschäftsmodelle ermöglichen.

Zweitens wird der Übergang zu nachhaltigen und umweltfreundlichen Praktiken in vielen Bereichen eine große Veränderung bewirken. Unternehmen werden verstärkt auf erneuerbare Energien, Recycling und umweltbewusste Produktion setzen, um den Anforderungen des Klimawandels gerecht zu werden.

Des Weiteren werden sich die Arbeitswelt und die Berufsbilder durch den demografischen Wandel verändern. Mit einer alternden Bevölkerung wird es in Branchen wie Gesundheitswesen und Pflege einen höheren Bedarf geben, während andere Bereiche möglicherweise von einem Fachkräftemangel betroffen sein werden.

Schließlich werden auch neue Arbeitsformen wie Remote-Arbeit und flexible Arbeitszeiten weiterhin an Bedeutung gewinnen, ebenso Teilzeit und Modelle zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, dass viele Berufe remote und im Tandem arbeitsfähig sind, was zu einer dauerhaften Veränderung in der Arbeitswelt führen könnte.

Welche Schlüsselkompetenzen und welches Mindset benötigen Beschäftigte und Führungskräfte, um in der Arbeitswelt von morgen erfolgreich zu sein?

Beschäftigte und Führungskräfte benötigen eine Reihe von Schlüsselkompetenzen und ein entsprechendes Mindset. Erstens sind technologische Fähigkeiten unerlässlich, da die digitale Transformation weiter voranschreitet. Grundkenntnisse in Bereichen wie Datenanalyse, künstliche Intelligenz und Programmierung sind von Vorteil. Zweitens ist eine kontinuierliche Lernbereitschaft erforderlich. Die Fähigkeit, sich schnell an neue Arbeitsmethoden, Technologien und Branchentrends anzupassen, wird immer wichtiger. Drittens sind soziale und emotionale Kompetenzen gefragt. Teamarbeit, Kommunikation, Empathie und interkulturelle Zusammenarbeit werden geschätzt. Viertens ist Innovationsfähigkeit von großer Bedeutung. Kreatives Denken, Problemlösungskompetenz und die Fähigkeit, neue Ideen zu generieren, sind gefragt. Fünftens sollten Flexibilität und Anpassungsfähigkeit entwickelt werden, da sich die Arbeitswelt ständig verändert. Und schließlich ist sechstens ein unternehmerisches Mindset entscheidend, um Chancen zu erkennen, Risiken einzugehen und Verantwortung zu übernehmen. Insgesamt geht es darum, eine Lernbereitschaft, Anpassungsfähigkeit, Kreativität, Zusammenarbeit und unternehmerisches Denken zu fördern, um in der Arbeitswelt von morgen erfolgreich zu sein.

Was raten Sie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), um sich auf die Arbeitswelt von morgen einzustellen?

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollten sich auf die Arbeitswelt von morgen vorbereiten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Hier sind einige Ratschläge:

  1. KMU sollten die Vorteile digitaler Technologien wie Cloud Computing, künstlicher Intelligenz und Automatisierung erkennen und implementieren. Diese Technologien können die Effizienz steigern, die Produktivität verbessern und neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen.
  2. Kontinuierliche Weiterbildung ist entscheidend, um mit den sich verändernden Anforderungen Schritt zu halten. KMU sollten in die Entwicklung ihrer Mitarbeitenden investieren, indem sie Schulungen, Workshops und Mentoring-Programme anbieten. Dies fördert die Mitarbeiterbindung und schafft ein kompetentes Team.
  3. Die Arbeitswelt von morgen wird von Flexibilität geprägt sein. KMU sollten flexible Arbeitszeiten, Homeoffice-Optionen und andere flexible Arbeitsmodelle einführen, um talentierte Mitarbeitende anzuziehen und zu halten. Dies ermöglicht auch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.
  4. KMU sollten verstärkt auf Kooperationen und Partnerschaften setzen. Durch die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, Start-ups, Forschungseinrichtungen oder Branchenverbänden können sie von Synergien profitieren, innovative Ideen entwickeln und ihre Wettbewerbsposition stärken.
  5. Kundenerwartungen ändern sich ständig. KMU sollten ihre Kunden verstehen, deren Bedürfnisse antizipieren und darauf reagieren. Durch den Einsatz von Datenanalyse und Kundenfeedback können sie personalisierte Lösungen anbieten und eine langfristige Kundenbindung aufbauen.
  6. KMU sollten eine Unternehmenskultur schaffen, die agiles Denken und Innovation fördert. Hierzu gehört die Offenheit für neue Ideen, die Bereitschaft, Risiken einzugehen, und die Förderung von Kreativität und Experimentierfreude.
  7. Die Arbeitswelt von morgen wird eine verstärkte Fokussierung auf Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung erfordern. KMU sollten nachhaltige Praktiken in ihre Geschäftsmodelle integrieren, um ökologische und gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Prof. Dr. Ternès!

Dieses Interview ist Teil von Mittelstand WISSEN zum Thema "Arbeitswelt von morgen"

 

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