25.04.2024Monitoring

China-Strategie der Bundesregierung

Worum geht es bei dem Vorhaben?

Die Bundesregierung hat nach langen Verhandlungen ihre „China-Strategie“ veröffentlicht. Die bundespolitische Ausrichtung mit China als wichtigsten deutschen Handelspartner hat für die deutsche Wirtschaft eine bedeutende Relevanz. Im Folgenden wird ein Überblick über die Strategie veranschaulicht und eine Zwischenbewertung wiedergegeben.

 

Grundzüge des Strategiepapiers:

  • Das Strategiepapier benennt kritische Aspekte an Chinas Politik und erkennt eine „systemische Rivalität“ an: Die Relativierungsbestrebungen zu den Grundfesten der regelbasierten Ordnung (wie die Stellung der Menschenrechte), das Verhältnis zu Russland und die Beanspruchung einer regionalen Vormachtstellung im Indo-Pazifik.
  • Gleichwohl strebt die Bundesregierung „keine Entkoppelung von China an“ und will an der wirtschaftlichen Verflechtung mit China festhalten.
  • Die Wirtschaftsbeziehungen sollen diversifiziert werden, sodass Deutschland „an der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas weiter teilhaben und gleichzeitig Abhängigkeiten in kritischen Bereichen verringern“ kann.
  • Des Weiteren wird China als weltweit größter CO2-Emittent für einen unverzichtbaren Akteur zur Bewältigung der Klimakrise eingeordnet und diesbezüglich wird eine Zusammenarbeit als unvermeidbar beschrieben.

Hintergrund

Zur „Sicherung unserer Wettbewerbsfähigkeit sowie unserer technologischen und digitalen Souveränität“ wird eine „wachstums-, forschungs- und innovationsfördernde Standortpolitik in der EU und in Deutschland“ unterstützt. Ebenfalls soll die europäische Politik in Hinblick auf China gemeinschaftlicher gestaltet werden.

Die Bundesregierung strebt eine Diversifizierung der Lieferketten und eine Risikoverringerung mit für die deutsche Volkswirtschaft vertretbaren Kosten, insbesondere bei Produkten aus dem Gesundheit-, Energiewendebereich oder für technologische Innovation. an. Sie visiert eine technologische Souveränität an, die Normung und Standardisierung einbezieht.

In Bezug auf die Risiken des chinesischen Marktes wird auf dafür geltenden „Deckungsplafond für Investitionsgarantien von drei Milliarden EUR pro Unternehmen pro Land“ betont. Auf der anderen Seite wird aber der Abhängigkeitsabbau anvisiert und die Kosten von Klumpenrisiken „unternehmensseitig verstärkt internalisiert werden, damit im Falle einer geopolitischen Krise nicht staatliche Mittel zur Rettung einstehen müssen.“ Infolgedessen findet eine Überprüfung von staatlicher Exportunterstützung statt, inwieweit eine Verstärkung übermäßiger wirtschaftlicher Abhängigkeiten von Unternehmen besteht.

Ausländische Direktinvestitionen stehen weiterhin unter Prüfung. Es sei geplant, das Investitionsprüfungsrecht zu novellieren.

Sektoren von Kritischen Infrastrukturen sollen in einem KRITIS-Dachgesetz definiert und mit „sektoren- und gefahrenübergreifenden Mindestvorgaben resilienter“ werden. Zudem ist beabsichtigt, die Schutzlücke bei Nicht-IT-Produkten zu schließen. Intensive Überprüfungen seien auch bei öffentlichen Beschaffungen notwendig.

Man will zudem resilienter gegen illegitime Einflussnahme werden. Ebenfalls ist die Sicherheit im Cyberraum u. a. mittels Zertifizierungen zu verstärken.

Bezogen auf die Regierungsarbeit ist mehr Dialog mit China vorgesehen. Daran anknüpfend ist die Förderung des parlamentarischen und zivilgesellschaftlichen Kontaktaustausches. Des Weiteren soll eine vertiefte Koordinierung mittels Einsetzung einer „Staatssekretärsrunde China“ entstehen sowie regelmäßig Ressortabstimmung unterhalb dieser Ebene. Die Bundesregierung berichtet und evaluiert die regelmäßigen Fortschritte dieser Strategie.

Welches Ziel verfolgt die Bundesregierung mit diesem Vorhaben?

Die China-Strategie soll folgende Ziele verfolgen:

  • Die Bundesregierung in die Lage versetzen, in der komplexen Beziehung zu China unsere Werte und Interessen besser zu verwirklichen.
  • Wege und Instrumente aufzeigen, wie die Bundesregierung mit China zusammenarbeiten kann, ohne Deutschlands freiheitlich-demokratische Lebensweise, unsere Souveränität, unseren Wohlstand sowie unsere Sicherheit und Partnerschaften mit anderen zu gefährden.
  • Den Rahmen setzen, innerhalb dessen die Ressorts der Bundesregierung ihre Politik gegenüber China kohärent gestalten.
  • Die Grundlage bilden für verstärkte chinapolitische Koordinierung mit Stakeholdern in Deutschland, in Europa und darüber hinaus.

Warum ist das Vorhaben relevant für KMU / den Mittelstand?  

China hat als wichtigster Handelspartner für den europäischen und somit deutschen Mittelstand eine enorme wirtschaftliche Bedeutung. Aber europäische Unternehmen werden im chinesischen Markt beschränkt: Durch die konzentriertere Lokalisierung werden bei öffentlichen Ausschreibungen chinesische gegenüber europäischen Unternehmen bevorzugt. Die chinesische Doppelstrategie führt dazu, dass in zukunftsorientierten Bereichen (z. B. digitale Handelsplattformen), die kein ausländisches Knowhow erfordern, nur auf chinesische Unternehmen fokussiert wird und ausländische Unternehmen hingegen Beschränkungen erfahren.

Aus dem Strategiepapier geht die explizite Erwähnung des „Mittelstands“ bei der Feststellung der Nachteile für deutsche Unternehmen in China durch u. a. Marktzugangs- und Investitionsbeschränkungen sowie Ausschluss von der öffentlichen Auftragsvergabe hervor. Die Bundesregierung will dahingehend das WTO-Recht wiederherstellen und deutsche Unternehmen politisch unterstützen.

Die DMB-Bewertung

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Bei mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmern löst die vorgestellte China-Strategie gemischte Gefühle aus. Einerseits ist China ein wichtiger Handelspartner und eine bedeutende Wirtschaftsmacht, wovon deutsche Unternehmen profitiert haben und weiterhin profitieren werden. Die Strategie betont aber auch richtigerweise die Notwendigkeit einer fairen und nachhaltigen Handelsbeziehung zu China und ermutigt das Land in Fernost, seiner globalen Verantwortung gerecht zu werden.

Der Mittelstand begrüßt, dass die Herausforderungen und Risiken im Umgang mit China thematisiert werden. Die systemische Rivalität und der Wettbewerb mit China haben in den letzten Jahren zugenommen. Die Unterschiede in den Vorstellungen über die internationale Ordnung und die Relativierung von Menschenrechten müssen mit Sorge betrachtet werden. Dies kann zukünftig Auswirkungen auf den Handel und die Sicherheit haben. Deswegen sollten sich Unternehmen auf alle Eventualitäten vorbereiten. Für die Mitglieder des DMB ist es deswegen wichtig, dass die Bundesregierung klare Leitlinien für den Umgang mit China festlegt. Es ist positiv zu bewerten, dass die Strategie auf eine koordinierte europäische Chinapolitik abzielt und den Austausch mit der chinesischen Zivilgesellschaft betont.

Jedoch sollte die Strategie mit konkreten Maßnahmen erweitert werden, um mittelständische Unternehmen bei den Herausforderungen im Handel mit China zu unterstützen. Dies könnte beispielsweise die Schaffung von Anreizen und der Ausweitung von Hilfestellungen für den Markteintritt und den Schutz des geistigen Eigentums umfassen. Eine enge Abstimmung mit den Unternehmen und eine Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse sind entscheidend, um eine erfolgreiche Umsetzung der China-Strategie zu gewährleisten.

 

Zwischenbilanz vom 25.04.24 zum „De-Risking“-Prozess

Im Jahr 2023 ist die deutsche Importabhängigkeit von China laut einem IW-Report auf einem ähnlichen Niveau geblieben. Rückgänge der Einfuhren bei industrienahen Produktgruppen mit hoher Importabgängigkeit sind auf den Rückgang der gesamten Einfuhren aus China sowie einmalige Sondereffekte zurückzuführen. Bei den industrienahen Produktgruppen mit hohen China-Importabhängigkeiten gab es zwar größere Verschiebungen, die Gesamtsumme dieser Produktgruppen ist aber nur geringfügig von 213 auf 200 gesunken.

Somit bezweckt die „De-Risking-Strategie“ bisweilen kaum risikosenkende Veränderungen in der Wirtschaft. Dennoch schafft das dem Mittelstand Unsicherheiten beim Wettbewerb mit und in China. Die Bundesregierung ist deshalb angehalten, folgende wirtschaftspolitische Maßnahmen zu ergreifen, um KMU zu stärken:

  • Neuabschätzung von tatsächlich kritischen Abhängigkeiten bei Produktketten und eindeutige Benennung dieser
  • Marktgerechte Leitlinien für nicht erwünschte Produktimporte, die für alle Unternehmen gleichsam verbindlich sind
  • Erstellung von De-Risking-Auflagen für Konzerne, die Folgen für mittelständische Unternehmen miteinbeziehen und abfedern
  • Schaffung von Alternativanreizen und Unterstützungsmaßnahmen für KMU, die chinesische Partner als Hauptgeschäftspartner haben und als kritisch eingeschätzte Importe beziehen
  • Stärkung von deutschen Unternehmen in China, bspw. hinsichtlich des Schutzes des geistigen Eigentums

 

Andere DMB-Statements zum Thema „Handel mit China“:

06.02.2023 “FAZ Die China-Frage":

Marc Tenbieg, der Geschäftsführer des Deutschen Mittelstandsbundes, zeigt sich China gegenüber viel kritischer als die Großunternehmen: „Derzeit überwiegen die Risiken, in China zu investieren, die Chancen“, sagt er. Expansionspläne sieht er vor allem in Europa und den USA, „da diese Regionen zuverlässigere Lieferketten garantieren“.

11.11.2022 “Forum: Schwierige Beziehungsfragen”

Das Wochenmagazin FORUM hat sich mit den schwieriger werdenden Handelsbeziehungen zwischen der deutschen Wirtschaft und der Volksrepublik China auseinandergesetzt. Auch Matthias Bianchi, Leiter Public Affairs, hat sich in dem Beitrag geäußert und erläutert unter anderem, wieso beim Mittelstand eine zunehmende Zurückhaltung gegenüber dem Handel mit China beobachtet werden kann.

[...]

„China ist und bleibt ein sehr wichtiger Handelspartner für Deutschland und Europa", bestätigt auch Matthias Bianchi, Leiter Public Affairs des Deutschen Mittelstand-Bundes (DMB), gegenüber ­FORUM. Allerdings sei insbesondere der deutsche Mittelstand zurückhaltender in Bezug auf China geworden. „Dies ist ein längerfristiger Trend, der sich unter anderem darin äußere, dass es in den vergangenen Jahren so gut wie gar keine neuen Markeintritte deutscher Unternehmen in China gegeben hat." Zudem habe die „China-First-Politik" zunehmend für Verunsicherung im deutschen Mittelstand gesorgt. „Die Geschwindigkeit und das Ausmaß, mit dem sich das Land nach außen hin abgeschlossen hat, ist besorgniserregend", findet Matthias Bianchi. Für Unternehmen besonders problematisch seien beispielweise die massiven Devisenkontrollen und erschwerte Gewinnrückführungen, aber auch die restriktive Corona-Politik. „Die Abhängigkeit einzelner deutscher Konzerne vom Absatzmarkt China ist stark ausgeprägt", sagt der DMB-Experte.

[...]

„Wie können die Dimensionen „Partnerschaft", „Wettbewerb", aber auch „Werte" in eine kohärente Außenwirtschaftsstrategie eingebunden und gegenüber China konsequent umgesetzt werden?", fragt DMB-Manager Matthias Bianchi. Deutschland und Europa bräuchten mehr strategische Autonomie sowie starke Partner, die bereit seien, für dieselben Werte einzustehen. „Die Spielregeln müssen neu aufgestellt und klar kommuniziert werden."

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