Rechtskommentar:
Patentanmeldeflut in China – Das sollten Sie wissen
Rechtskommentar:
Für deutsche Unternehmen ist China seit Jahren ein wirtschaftliches Wunderland, das einen riesigen Absatzmarkt bietet. Eines ist klar: Die Zukunft der Weltwirtschaft ist ohne China nicht mehr vorstellbar. Doch Erfinder, die auf den chinesischen Markt drängen, müssen vorsichtig sein, wenn sie ihre Neuerungen dort zum Patent anmelden wollen. Denn das Land versucht mit einer Flut von Patentanmeldungen, den Einfluss ausländischer Firmen wieder einzudämmen. Beabsichtigen auch Sie Ihre Erfindung in China zu vermarkten? Wir erklären Ihnen im folgenden Artikel, wodurch sich die massenhaften Patenterteilungen in China ergeben und was Sie unbedingt beachten sollten, um ihre Erfindung wirksam zu schützen.
China versucht mit allen Kräften, Innovationsland zu werden
Bei der Ausrufung Chinas zur Volksrepublik im Jahre 1949 galt das Land noch als industrielles Entwicklungsland. Um diesen Rückschritt aufzuholen, wurde deshalb schon zu Maos Zeiten energisch versucht, China auf ein Level mit anderen Industrienationen zu bringen. Der Wirtschaftsboom, der mit der Zeit ins Rollen kam, hält immer noch an. Zum Teil verdankt China diesen den niedrigen Arbeiterlöhnen, die jedoch mit wachsendem Wohlstand ansteigen. Wirtschaftsexperten sagen voraus, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis China bald nicht mehr lukrativ für ausländische Firmen sein wird, die ihre Produktionen dorthin outsourcen. Seit einigen Jahren treibt daher die chinesische Regierung die Entwicklung der Industrie in eine andere Richtung – China soll nicht mehr nur „globale Werkbank“ sein, sondern selber technologische Entwicklungen vorantreiben. Dafür sollen vor allem massenhafte Patentanmeldungen sorgen.
Welchen Weg geht China, um „Patentweltmeister“ zu werden?
Zwei Millionen Patente sollen bis zum Jahr 2020 angemeldet sein. Dieses Ziel setzte die chinesische Regierung, um das Land zu einem „Innovationsland“ zu machen. Dafür lockt sie mit Fördermaßnahmen, zum Teil in Form von Steuernachlässen. Erlangt ein chinesisches Unternehmen beispielsweise den begehrten Hochtechnologiestatus des High and New-Technology Enterprise (HNTE)-Programms, wird dies mit einer Reduzierung der Körperschaftssteuer von 25% auf 15% vergütet. Solche Maßnahmen haben in den vergangenen Jahren zu einer Flut von Patentanmeldungen geführt. Um so viele Patentanmeldungen überhaupt erst möglich zu machen, muss allerdings ein wenig getrickst werden. Deshalb sind die Voraussetzungen, die eine Erfindung erfüllen muss, um überhaupt ein Patent zu erhalten, teilweise etwas locker gehalten. So ist beispielsweise die Definition, was als Neuheit gilt, weniger eng gefasst als es in Deutschland der Fall ist. Aber wie wirkt sich dies für ausländische Unternehmen aus, die ihr geistiges Eigentum in China schützen lassen wollen?
Schutzrechtsbedingungen für Erfindungen werden absichtlich niedrig gehalten
Während innerhalb der Europäischen Union und in den USA die Neuheit einer Erfindung als wichtiges Kriterium für eine Patenterteilung gilt, liegt die Schwelle in China niedriger. Um die Anzahl der Patente in die Höhe zu treiben, werden selbst kleinere Veränderungen gegenüber bereits bestehenden Erfindungen, Marken und Geschmacksmustern vom Chinesischen Patentamt, dem State Intellectual Property Office (SIPO), geltend gemacht. Dadurch werden zwar Erfindungen und auch die Wirtschaft, vor allem auf nationaler Ebene, gefördert. Ausländische Firmen, die in den chinesischen Markt wollen, kämpfen aber mit, für ihr Empfinden, ungewohnten Schutzrechten.
Ausländische Firmen unterschätzen die Risiken oft
Durch die massenhaften Patentanmeldungen sind diese nur schwer überschaubar geworden. Dadurch besteht für Erfinder aus dem Ausland eine erhöhte Gefahr, in China bereits angemeldete Schutzrechte zu verletzen. Generell müssen ausländische Firmen mit einer bevorzugten Behandlung nationaler Unternehmen rechnen. Wer sich mit den chinesischen Patent- und Markenrechten nicht ausreichend auskennt, kann erhebliche Probleme mit Konkurrenten bekommen. Die Strafen für Verletzungen sind hoch: So wurde die französische Firma Schneider Electric aufgrund einer Klage des chinesischen Elektronikherstellers Chint vom Mittleren Volksgericht schon 2007 zu einer Rekordzahlung von fast 335 Millionen Yuan verurteilt. Umgerechnet waren dies nach damaligem Wert 30,5 Mio. Euro. Daher sind Patentanmelder in den vergangenen Jahren vorsichtiger geworden, wenn Sie ihre Produkte auf den chinesischen Markt bringen wollen. Diese Vorsicht ist auch angebracht.
Patentanmeldungen in China – Ich bin schon da?
Wir haben also gelernt, dass es bei der Patentanmeldung in China u.a. darauf ankommt, viel schneller zu sein als chinesische Unternehmen. Patentanmeldungen dauern aber oft sehr lang. Um trotzdem schnellen Schutz zu erlangen, kann die gleichzeitige Anmeldung eines Gebrauchsmusters sinnvoll sein. Denn Gebrauchsmuster werden schneller erteilt und können bereits Schutz bieten, wenn das Patent zwar angemeldet, aber noch nicht erteilt wurde.
Nutzen Sie das chinesische Recht für sich
Zusammenfassend sollten Sie also, in Hinblick auf die vielen Patentanmeldungen in China, folgendes berücksichtigen:
- Melden Sie zusätzlich zum Patent auch ein Gebrauchsmuster an, um schnellen Schutz zu erlangen (z.B. wenn die Präsentation auf einer Messe ansteht). So können Sie leichter verhindern, dass Ihre Erfindung zu lange ungeschützt bleibt und jemand anderes Ihnen bei der Anmeldung zuvor kommt.
- Scheuen Sie nicht davor, auch kleinere Verbesserungen oder Erweiterungen Ihrer Erfindung zum Patent und/oder Gebrauchsmuster anzumelden. Dies ist in China normal und auch notwendig.
- Lassen Sie gründlich recherchieren, ob etwaige Schutzrechte verletzt werden, am besten von einem Patentanwalt, der über gute Kenntnisse des chinesischen Patentrechts verfügt.
- Kombinieren Sie verschiedene Schutzrechte miteinander, um Teilaspekte Ihrer Erfindung, wie z.B. graphische Benutzeroberflächen, optimal zu schützen. Die Anmeldung dieser Schutzrechte muss sorgfältig aufeinander abgestimmt sein.
Ehe Ihre Erfindung und somit Ihre Schutzrechte in der Flut der vielen Anmeldungen untergehen, sollten Sie sich auf jeden Fall ausführlich beraten lassen, damit auch Sie auf dem chinesischen Markt mit Ihrer Erfindung Fuß fassen können.
Quelle: Dr. Oliver Lutze: "Gewerblicher Rechtsschutz in China - Besonderheiten im rechtlichen Umfeld und der praktische Umgang damit". In: VPP-Rundbrief, 4/2014, S. 220 – 227.
Autor:
Dr. Tim Meyer-Dulheuer, LL.M. | Patentanwalt
Dr. Meyer-Dulheuer & Partners LLP, Frankfurt a. Main
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