"Der erste Bericht hilft bei einer Bestandsaufnahme"
Das Thema Nachhaltigkeit wird auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) immer wichtiger.
Im Rahmen der Energiewende sind mittelständische Unternehmen mit einer Vielzahl neuer und hoher Anforderungen konfrontiert. Dazu gehört künftig auch die Verpflichtung zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichtes. Mit seinem Ingenieurbüro für Energieeffizienz und Nachhaltigkeitsstrategien leistet DMB-Mitglied Axel Schneider einen Beitrag, mit diesen Anforderungen zurechtzukommen. Warum sich kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bereits heute mit dem Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung auseinandersetzen sollten und welche Rolle die Nachhaltigkeit eines Unternehmens bei der Kreditvergabe von Banken spielt, unter anderem darüber spricht Axel Schneider im Interview mit dem DMB.
Ab Januar 2026 wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) verpflichtend. Sind KMU darauf aus Ihrer Sicht bereits ausreichend vorbereitet bzw. auf einem guten Weg?
Ganz klares Nein. Die Mehrzahl ist nicht darauf vorbreitet. Es gibt Unternehmen, die sich damit auseinandergesetzt haben, zum Beispiel im Hinblick auf Energieeffizienz und mögliche kurzfristige Einsparmaßnahmen im energetischen Bereich. Ein Großteil hat Thema das jedoch nicht im Fokus. Einer aktuellen Untersuchung zufolge (700 befragte Unternehmen aus Frankreich, Italien, Benelux und Deutschland) haben 80 Prozent gesagt, Klimaschutz sei wichtig und die grüne Transformation durchaus eine Chance. Aber nur 11 Prozent haben eine Vorstellung, was dies konkret für ihr Unternehmen bedeutet.
Warum sollten sich KMU bereits heute mit Nachhaltigkeitsberichterstattung auseinandersetzen, wenn die Berichterstattung für sie erst ab 2026 zur Pflicht wird?
Das Thema Pflicht ist nur die eine Seite der Medaille. Jedes Unternehmen sollte sich aber die Frage stellen, was kann mir ein solcher Bericht bieten und welche Chance kann ich als Unternehmer/in daraus ableiten? Verpflichtungen sind politisch vorgegeben. Aus meiner Sicht wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung aber qualitativ mindestens so relevant wie ein Jahresabschluss am Ende des Geschäftsjahres, um das Unternehmen zukunftsfähig zu machen. Je früher man damit beginnt, desto besser kann man sich darauf vorbereiten.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeitsberichterstattung bereits heute für KMU bei der Finanzierung bzw. Kreditvergabe?
Ich bin fest davon überzeugt, dass neben der Bonität des Unternehmens auch der Umgang mit Nachhaltigkeitsstrategien eine wesentliche Rolle spielt. Bei Kreditinstituten wird intensiv darüber diskutiert, wie bei Kreditvergaben in diesem Zusammenhang verfahren wird. In unseren Gesprächen mit Banken ist sehr klar geworden, dass definitiv Rating-Kriterien zugrunde gelegt und diese zum Teil bereits umgesetzt werden. KMU sind hier keine Ausnahme.
Welches sind die besonderen Anforderungen für den Mittelstand?
Die besondere Herausforderung ist, sich darüber bewusst zu werden, dass es sich um strategische und keine operativen Entscheidungen handelt. KMU und insbesondere Familienunternehmen haben ja den Vorteil, dass sie grundsätzlich langfristig und generationsübergreifend denken. Nachhaltigkeit und deren Umsetzung werden gleichermaßen zu einem wichtigen Bestandteil der langfristigen Unternehmensstrategie und zu einem Trigger für den Transformationsprozess.
An welchen Stellen und mit welchen Schritten könnten KMU in die operative Umsetzung im energetischen Bereich einsteigen?
Das beginnt immer mit einer fundierten und durchgängigen Bestandsanalyse: Wo stehe ich gerade mit meinem Unternehmen beim Thema Energie? Ich muss wissen, wieviel Energie wo verbraucht wird, bei welchem Produkt, an welcher Maschine, an welcher Stelle der Wertschöpfungskette. Daraus sind die Möglichkeiten abzuleiten, welche Einsparpotenziale auch in der Kombination unterschiedlicher Faktoren zur Verfügung stehen. Diese können aus Kostensicht zunächst Quick-Wins sein, bilden aber durchaus auch die Grundlage für mittel- und langfristige Energiestrategien ab.
Laut einer weiteren Studie sehen sich viele KMU mit der Komplexität der Berichterstattung überfordert. Sehen Sie einen Ansatz zu einer möglichen Vereinfachung?
Zunächst einmal wird sich der Nachhaltigkeitsbericht an den definierten Anforderungen orientieren müssen. Es wird Anpassungen je nach Unternehmen geben, um der unterschiedlichen Komplexität bei den Wertschöpfungsketten Rechnung zu tragen. Inwieweit es zusätzliche Vereinfachungen für KMU geben wird, lässt sich derzeit nur schwer sagen. Ich glaube jedoch, wenn man einmal die Zeit für den ersten Bericht investiert hat, wird es am Ende zu einer gewissen Routine, diesen perspektivisch fortzuschreiben. Der erste Bericht hilft bei einer Bestandsaufnahme, also was zu tun ist und bildet gleichzeitig eine Basis für die Nachverfolgung in den nächsten Jahren. Wie bei anderen unternehmensrelevanten Themen, die fachliche Unterstützung erfordern, ist auch bei Energiewende und Nachhaltigkeitsberichterstattung eine externe Beratung durch Spezialisten möglich und empfehlenswert.