Viertes Bürokratieentlastungsgesetz
Worum geht es bei dem Vorhaben?
Das Bundesjustizministerium (BMJ) hat sich entschlossen, aktiv gegen übermäßige Bürokratie vorzugehen und plant die Umsetzung eines Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG IV). Zuvor war das BEG I in 2016, das BEG II in 2017 und das BEG III in 2020 in Kraft getreten. Das Ziel des BEG IV ist es, die Belastungen und Hürden für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmerinnen und Unternehmer spürbar zu reduzieren.
Dieses Monitoring dient dazu, die Umsetzung des Bürokratieentlastungsgesetzes genau zu verfolgen und seine Auswirkungen auf die unternehmerische Landschaft zu analysieren.
In welchem Stadium befindet sich das Vorhaben?
Am 26. September 2024 verabschiedete der Bundestag das Bürokratieentlastungsgesetz IV in zweiter und dritter Lesung. Kurz vor der Abstimmung im Parlament fügte der Rechtsausschuss des Bundestags noch einige zusätzliche Bestimmungen hinzu. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung die Wirtschaft jährlich um rund 944 Millionen Euro entlasten. Der Bundesrat hat dem Gesetz am 18.10.2024 zugestimmt. Am 29. Oktober wurde das Gesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Zum großen Teil tritt das Gesetz am 1. Januar 2025 in Kraft.
Welches Ziel verfolgt die Bundesregierung mit diesem Gesetzesvorhaben?
Mit diesem Gesetz will die Bundesregierung nach eigenen Aussagen die Wirtschaft um jährlich etwa 944 Millionen Euro entlasten. Folgend sind einige der wichtigsten Maßnahmen aus dem BEG IV aufgelistet.
Konkrete Maßnahmen aus dem Bürokratieentlastungsgesetz IV, die kleine und mittlere Unternehmen (KMU) entlasten:
Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Steuerbelege: Steuerlich relevante Dokumente müssen künftig nur noch acht Jahre statt zehn Jahre aufbewahrt werden.
Digitalisierung von Verträgen und Abrechnungen: Arbeits- und Mietverträge können künftig digital abgeschlossen oder gekündigt werden. Auch Betriebskostenabrechnungen und Steuerbescheide können elektronisch übermittelt werden.
Elektronische Ausstellung von Zeugnissen: Unternehmen können Arbeitszeugnisse künftig in elektronischer Form ausstellen, wenn der Arbeitnehmer zustimmt.
Entlastung durch weniger Informationspflichten: Unternehmen müssen weniger Berichte und Nachweise an Behörden übermitteln, was zu einer jährlichen Entlastung von rund 433 Millionen Euro führen soll.
Erleichterungen im Nachweisgesetz: Die Pflicht zur Schriftform bei Arbeitsverträgen wird in vielen Fällen durch die einfachere Textform ersetzt, was Unternehmen flexiblere Vertragsabschlüsse ermöglicht.
Wegfall der Aushangpflichten: Vorschriften wie das Arbeitszeitgesetz und Jugendarbeitsschutzgesetz müssen nicht mehr physisch im Betrieb ausgehängt, sondern können im Intranet bereitgestellt werden.
Forderungen, die nicht in den Gesetzesentwurf aufgenommen wurden:
Online-Gründung von Unternehmen: Während in Ländern wie Österreich und Dänemark die digitale Unternehmensgründung bereits Standard ist, bleibt dies in Deutschland unerfüllt. Das Gesetz spricht lediglich davon, dies "anzustreben".
Umfassendere Digitalisierung der Verwaltung: Obwohl einige Fortschritte erzielt wurden, bleibt Deutschland in der EU ein Nachzügler. Nur ein Bruchteil der Verwaltungsleistungen ist online verfügbar, und der flächendeckende Ausbau digitaler Behördendienste fehlt weiterhin. Es fehlt ein klarer Plan zur Standardisierung digitaler Verwaltungsprozesse, der den kontinuierlichen Zufluss neuer Dokumentationspflichten eindämmt.
Mehr Informationen dazu finden Sie in der DMB-Bewertung weiter unten.
Warum ist das Vorhaben relevant für KMU / den Mittelstand?
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) verfügen oft über begrenzte Ressourcen und Kapital im Vergleich zu großen Unternehmen. Die Einhaltung umfangreicher bürokratischer Vorschriften und die Verwaltung komplexer Prozesse erfordern einen erheblichen Zeitaufwand und finanzielle Mittel. Ein Bürokratieentlastungsgesetz kann dazu beitragen, diese Belastungen zu reduzieren und ermöglicht es KMU, sich mehr auf ihre eigentlichen Geschäftsaktivitäten zu konzentrieren.
Eine hohe bürokratische Last kann dazu führen, dass KMU im Wettbewerb benachteiligt sind, insbesondere im Vergleich zu größeren Unternehmen, die über mehr Ressourcen verfügen, um mit der Bürokratie umzugehen. Ein Bürokratieentlastungsgesetz gleicht dieses Ungleichgewicht aus und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit von KMU, was insgesamt zu einer vitaleren Wirtschaft und einem dynamischeren Marktumfeld führen kann.
Weitere Gründe für ein Bürokratieentlastungsgesetz mit KMU-Fokus:
KMU sind Treiber für Innovationen. Wenn sie jedoch zu stark von bürokratischen Hindernissen ausgebremst werden, kann dies ihre Innovationsfähigkeit einschränken. Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hat in ihrem Jahresgutachten 2023 herausgearbeitet, dass vor allem bürokratische Hürden und defizitäre staatliche Regularien den Innovationsstandort Deutschland gefährden.
Im Gründungsmonitor der KfW-Bank wird die bürokratische Belastung als größtes Hemmnis für junge Unternehmen genannt. Ein umfangreicher bürokratischer Aufwand wirkt abschreckend auf potenzielle Gründerinnen und Gründer. Wenn KMU von übermäßiger Bürokratie befreit werden, wird die Gründung neuer Unternehmen attraktiver und die unternehmerische Vielfalt gestärkt.
Wichtige Daten und Ereignisse
Der DMB fordert seit vielen Jahren ein viertes Bürokratieentlastungsgesetz, das tatsächlich Unternehmen von unnötiger Belastung befreit. Ein solches Gesetz wird explizit im am 24.11.2021 veröffentlichten Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung benannt. Das Gesetz soll „Wirtschaft, Bürgerinnen und Bürger sowie Verwaltung gegenüber dem bisherigen Bürokratieaufwand entlaste[n], ohne auf notwendige Schutzstandards zu verzichten.“
Das BMJ hatte im Januar 2023 Spitzenverbände aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft eingeladen, an einer Abfrage zum Bürokratieabbau teilzunehmen. Insgesamt haben 57 Verbände im Rahmen einer Online-Befragung 442 Vorschläge eingereicht. Darauf aufbauend hat das Ministerium die Arbeit an einem Referentenentwurf für ein neues Bürokratieentlastungsgesetz begonnen.
Nachdem die Vorschläge eingereicht wurden, hat das Statistische Bundesamt sie einer quantitativen und qualitativen Analyse unterzogen, um ihr mögliches Entlastungspotenzial zu kategorisieren und priorisieren. Die Ergebnisse dieser Bewertung wurden am 14.03.2023 an die Ressorts weitergeleitet, um sie einer weiteren Prüfung zu unterziehen. Nach der Sommerpause im politischen Berlin will das BMJ einen Bericht zur Bürokratieentlastung vorstellen.
Am 26. September 2024 verabschiedete der Bundestag das Bürokratieentlastungsgesetz IV in zweiter und dritter Lesung. Kurz vor der Abstimmung im Parlament fügte der Rechtsausschuss des Bundestags noch einige zusätzliche Bestimmungen hinzu. Der Bundesrat muss dem Gesetzesvorhaben noch zustimmen.
Die DMB-Bewertung
Das Bürokratieentlastungsgesetz IV wird von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zwar grundsätzlich begrüßt, doch bleibt die Enttäuschung über den mangelnden Umfang der Entlastungen deutlich spürbar. Einer der positiven Aspekte ist die Reduzierung der Aufbewahrungsfristen für steuerliche Belege von zehn auf acht Jahre. Dies soll die Verwaltungskosten für Unternehmen senken und insbesondere in Personalabteilungen sowie im Rechnungswesen für Erleichterungen sorgen. Weitere Erleichterungen ergeben sich durch die Möglichkeit, Verträge, wie Arbeits- oder Mietverträge, künftig digital abzuschließen. Die Einführung der digitalen Betriebskostenabrechnung sowie die papierlose Ausstellung von Steuerbescheiden könnten ebenfalls helfen, den bürokratischen Aufwand zu mindern.
Jedoch kritisieren viele Unternehmen, dass diese Schritte bei weitem nicht ausreichen, um die anhaltende Bürokratielast in Deutschland signifikant zu senken. Besonders schmerzhaft ist die Tatsache, dass viele ursprüngliche Vorschläge der Wirtschaft zum Abbau von Bürokratie unberücksichtigt blieben. Von mehr als 400 Ideen fanden lediglich elf ihren Weg ins Gesetz. Hinzu kommt, dass zwar einige bürokratische Pflichten wegfallen, gleichzeitig aber neue Anforderungen, insbesondere auf EU-Ebene, hinzukommen, die den Entlastungseffekt für viele KMU wieder ausgleichen oder sogar übersteigen. Beispiele hierfür sind die Nachhaltigkeitsberichtspflichten und Regelungen zur IT-Sicherheit, die hohe Dokumentationsaufwände mit sich bringen.
Die schleppende Umsetzung der Digitalisierung, die schon in früheren Entlastungsgesetzen adressiert wurde, stellt ein weiteres großes Problem dar. Während es zwar Fortschritte bei der elektronischen Abwicklung von Verwaltungsprozessen gibt, sind sie im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wie Dänemark oder Österreich minimal. Von einer vollständigen Digitalisierung – etwa bei Unternehmensgründungen – ist Deutschland nach wie vor weit entfernt.
Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit wäre ein spürbarer Abbau bürokratischer Hürden ein dringend notwendiger Impuls für die Wettbewerbsfähigkeit. Der Nationale Normenkontrollrat fordert daher eine deutliche Reduzierung der Bürokratiekosten um mindestens ein Viertel in den nächsten vier Jahren, um die Wirtschaft nachhaltig zu entlasten. Bei dieser Forderung schließt sich der DMB an.
Insgesamt bleibt das Bürokratieentlastungsgesetz IV für viele Unternehmen ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings ein viel zu kleiner. Die erhoffte „Trendwende“ in der Bürokratiebelastung bleibt aus.
Zugehörige Dokumente
Nachstehend können Sie die zum Vorhaben zugehörigen Drucksachen finden: 442 Vorschläge von Verbänden aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft Jahresgutachten 2023 der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) Gründungsmonitor KfW-Bank 2023 Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung Gesetzesentwurf der Bundesregierung |