20.04.2022Interview

„Zur richtigen Zeit am richtigen Ort“

Frischer Wind weht durch das politische Berlin. Fast 40 Prozent der aktuellen Bundesabgeordneten sind neu im Parlament. Doch wer von den „Neuen“ kennt den Mittelstand aus erster Hand und kann Praxiserfahrungen in die parlamentarische Arbeit einbringen?

Maik Außendorf (50, Bündnis 90/DIE GRÜNEN) aus dem Rheinisch Bergischen Kreis ist 2021 erfolgreich für die Grünen in den Deutschen Bundestag eingezogen. Der studierte Mathe- und Informatiker war bei mehreren Gründungen von IT-Firmen beteiligt und als Geschäftsführer aktiv. Auch im Bundestag hat sich der gebürtige Münsteraner viel vorgenommen: Er sitzt als ordentliches Mitglied im Ausschuss für Digitales und im Wirtschaftsausschuss – zudem ist er Sprecher für Digitalpolitik seiner Fraktion. Im Gespräch mit dem DMB erklärt Neu-MdB Außendorf, wie ihm die gesammelten Erfahrungen als Unternehmer in der Politik helfen können.

 

DMB: Herr Außendorf, herzlichen Glückwünsch zum Einzug in den 20. Deutschen Bundestag – mit Ihnen geht ein waschechter Unternehmer nach Berlin. Stellen Sie sich doch bitte einmal unseren Mitgliedern vor.

Außendorf: Vielen Dank. Nach meinem Abitur habe ich Mathematik und Informatik studiert. Nachdem mein ehemaliger Arbeitgeber Suse Linux die Schließung des Unternehmensstandorts in St. Augustin bei Bonn bekannt gab, an dem ich zu der Zeit Niederlassungsleiter war, entschied ich mich gemeinsam mit Arbeitskollegen ein eigenes Unternehmen im Bereich Open Source zu gründen. Nebenbei haben mich schon immer politische Themen interessiert. Von der Schüler- über die Studentenvertretung bis zum Stadtrat in Bergisch Gladbach bin ich dieser Leidenschaft ehrenamtlich nachgegangen. 2021 konnte ich dann bei meiner dritten Kandidatur für den Bundestag ein Mandat über die Landesliste gewinnen.

 

Wann und warum sind Sie in die Partei Bündnis 90/DIE GRÜNEN eingetreten?

Ich war schon mit 13 Jahren bei den Grünen aktiv, bin dann aber ausgetreten. Zu der Zeit waren mir die Themen Abrüstung, Waldsterben und andere Umweltthemen zwar besonders wichtig, jedoch konnte ich keinen langfristigen Zugang zur Partei finden. Ich saß bei den Parteitreffen neben Frauen und Männern, die so alt wie meine Lehrer waren, eine grüne Jugend war nicht existent. Da fühlt man sich als junger Mensch schnell fehl am Platz. Zu der Zeit war mir jedoch klar: Ich komme irgendwann zurück.

Während der Finanzkrise 2008 ärgerte ich mich darüber, dass das Thema Klima weit in den Hintergrund rückte. Damals wie heute bin ich davon überzeugt, die Klimakrise wird nur mit einem Zusammendenken der Bereiche Finanzen, Digitalisierung und Wirtschaft zu überwinden sein. Heute fühlt es sich an, als ob ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin, um an dieser Aufgabe zu arbeiten. Meine Aufgabe wird darin bestehen, an diesen Themen im Digital- sowie Wirtschaftsausschuss des Bundestags mitzuarbeiten. Zudem haben wir mit Robert Habeck einen Bundesminister, der die Wirtschaft und den Klimaschutz zusammenbringen will.

 

Sie sind selbst Unternehmer. Welche Hemmnisse für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben Sie selbst erfahren müssen?

Es gibt einige bürokratische Hürden für KMU, die oft nur mit Hilfe Dritter zu überwinden sind. In den Unternehmen, in denen ich eine geschäftsführende Position ausgeübt habe, konnte ich auf eine gute Beziehung zu Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern bauen. Es ist meiner Meinung nach wichtig, dass Gründer*innen von Anfang an eine gute Beratung wahrnehmen. Entbürokratisierung an den richtigen Stellen umzusetzen ist wichtig. So wäre eine Online-Gründung beispielsweise schön, der Gang zum Notar und das Gespräch vor Ort können aber auch sehr wichtig sein. Oft erfahren Gründer*innen erst vor Ort, wie sie z.B. einen Vertrag aufsetzen.

 

Neben hoher Bürokratie nennen die DMB-Mitglieder den Fachkräftemangel und hohe Energiekosten als weitere große Herausforderungen. Welche Themen wollen Sie bei Ihrer Arbeit verstärkt angehen?

Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel sind elementar für die Zukunft der deutschen Wirtschaft, deswegen haben wir ein neues Einwanderungsgesetz im Koalitionsvertrag thematisiert. Hier müssen wir einen Spurwechsel vollziehen, gut ausgebildete Leute im Land behalten und die Weiterbildung in Deutschland massiv ausbauen. Die handwerkliche Ausbildung muss stärker in den Blick genommen werden, zudem wollen wir die Meisterausbildung erleichtern. Bei der Entbürokratisierung wird das im Koalitionsvertrag genannte „Once Only-Prinzip“ entscheidend sein. Unternehmen sollen in Zukunft offizielle Dokumente, wie zum Beispiel einen Handelsregisterauszug, nur einmal an eine offizielle Stelle geben müssen, die diese dann an andere Behörden weitergeben wird. Außerdem müssen Ausschreibungsplattformen zentral organisiert werden, momentan hat jede Stadt eine eigene Plattform. In den Ausschüssen werden wir auf die Umsetzung achten und die Ministerien bei diesen Vorhaben antreiben.

 

Bürokratieabbau liegt vorwiegend im Hoheitsgebiet der Bundesländer…

Wir müssen auch die Bundesländer mit ins Boot holen.  Das Ziel sollte Vorrang haben und Parteipolitik muss hintenangestellt werden

 

Unternehmen müssen aktuell hohe Energiekosten stemmen. Was werden Sie dagegen tun? Wie können KMU entlastet werden?

Die hohen Energiepreise sind ja vor allem auf die hohen Gaspreise zurückzuführen. Gaskraftwerke werden oft flexibel zugeschaltet, wenn zu wenig Wind- oder Sonnenstrom im Netz ist. Mittelfristig wird der Zubau von billigem Wind- und Sonnenstrom preismindernd wirken. Kurzfristig wollen wir die EEG-Umlage senken.

 

Im Koalitionsvertrag wird der Ausbau von Förderprogrammen für KMU genannt. Hatten Sie als Unternehmer selbst Erfahrungen mit Förderprogrammen sammeln können?

Ja, aber leider sehr negative. Als ich ein Unternehmen im Open Source-Umfeld mitgegründet habe, waren wir überzeugt, mit der Arbeit des Unternehmens Mehrwerte für die Allgemeinheit zu schaffen. Deswegen wollten wir Förderprogramme nutzen und informierten uns bei der Stadt Köln über ein EU-Förderprogramm, dessen Werbung wir gesehen hatten. Im Beratungsgespräch konnte uns nicht weitergeholfen werden, da unser Fall wohl zu speziell war. Ich versuchte im Nachgang eine Beantragung selbst durchzuführen und bin an der Bürokratie gescheitert. Danach legten wir den Fokus lieber wieder zurück auf die Kundengewinnung des Unternehmens. Großkonzerne können eigene Abteilungen für die Gewinnung von Fördergeldern einsetzen, der Zugang für kleine Unternehmen gestaltet sich leider schwierig, da keine Mitarbeiter und Zeit für eine Beantragung vorhanden sind. Die Situation ist sehr unbefriedigend und muss sich zugunsten von KMU verbessern.

 

Dabei wünschen wir Ihnen viel Erfolg und vielen Dank für das Gespräch Herr Außendorf!

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