EU-China-Investitionsabkommen: Chancen und Herausforderungen für den Mittelstand
Durch das Investitionsabkommen sollen die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und China fairer gestaltet und intensiviert werden.
Am 30.12.2020 haben sich die Europäische Union und China im Grundsatz auf ein umfassendes Investitionsabkommen geeinigt. Das „Comprehensive Agreement on Investment“ (CAI) wurde in einer Videokonferenz von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident Charles Michel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping beschlossen. Was bedeutet das Abkommen für deutsche Unternehmen und wie geht es weiter? Hintergründe und Inhalte zum Investitionsabkommen im Überblick:
Hintergrund
Seit Januar 2014 verhandeln die EU und China über ein Investitionsabkommen. Zuletzt schienen die Verhandlungen zu einem Stillstand gekommen zu sein, streckweise gab es sogar Rückschritte. Im Sommer 2020 kam dann erneut Schwung in die Verhandlungen, wobei China Anfang Dezember zu entscheidenden Zugeständnissen bereit war. Nach fast sieben Jahren und 35 Verhandlungsrunden haben beide Seiten nun eine Grundsatzeinigung erzielt.
Der chinesische Markt
Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 14,3 Milliarden US-Dollar (2019) ist China die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Das Reich der Mitte hat in den letzten Jahrzehnten ein rasantes Wirtschaftswachstum erlebt und seine Bedeutung in der Weltwirtschaft stetig ausgebaut. Während China im Jahr 2000 noch einen Anteil von etwa sieben Prozent am globalen BIP hatte, waren es im Jahr 2019 bereits 17 Prozent. Mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern ist China zudem der größte und einer der am schnellsten wachsenden Märkte der Welt. Im Jahr 2018 war China das drittwichtigste Zielland deutscher Direktinvestitionen – 86 Mrd. Euro investierten deutsche Unternehmen im bevölkerungsreichsten Land der Welt.
Ziel des Abkommens
Das CAI ist kein Freihandelsvertrag, der Zölle oder nicht-tarifäre Handelshemmnisse abbauen soll. Es geht vielmehr um den Zugang europäischer Investoren und Unternehmen zum chinesischen Markt und umgekehrt. Steht der europäische Markt chinesischen Firmen bisher weitestgehend offen, ist der Marktzugang von EU-Unternehmen in China stark eingeschränkt. Manche Bereiche sind für ausländische Investoren ganz verschlossen. In anderen Sektoren werden Unternehmen zu Joint-Ventures mit chinesischem Partner oder zur Weitergabe von technologischem Wissen gezwungen. Das soll das Abkommen ändern. Aus europäischer und deutscher Sicht besteht das Ziel darin, Regeln für ausgewogenere Handelsbeziehungen zu schaffen und europäischen Unternehmen den Zugang zum chinesischen Markt zu erleichtern.
Zentrale Inhalte
Das Investitionsabkommen umfasst drei Schwerpunkte:
- Verbesserung des Marktzugangs für EU-Firmen
- Schaffung von fairen Wettbewerbsbedingungen
- Einhaltung verbindlicher Standards bei Themen wie Arbeitnehmerrechten und Klimaschutz
Verbesserung des Marktzugangs für EU-Firmen
Eine umfassende Öffnung des chinesischen Marktes sieht die getroffene Einigung zwar nicht vor, allerdings wird es mehrere punktuelle Verbesserungen beim Marktzugang geben. Im Rahmen des Abkommens gewährt China europäischen Firmen freien Marktzugang im verarbeitenden Gewerbe. Darunter fällt unter anderem die Produktion von Automobilen, sowie die Herstellung von Chemikalien, Telekommunikationsgeräten und medizinischen Geräten. Insgesamt entfallen mehr als Hälfte der EU-Investitionen auf diesen Sektor. Weitere Verpflichtungen geht China in zahlreichen Dienstleistungsbereichen ein – etwa bei Finanzdienstleistungen, internationalen Seeverkehrsdienstleistungen, Umwelt-, Bau- und IT- Dienstleistungen sowie bei Hilfsleistungen im Luftverkehr, Cloud-Diensten und privaten Gesundheitsdiensten. Mit dem Investitionsabkommen ist es China nicht mehr möglich, europäische Unternehmen den Marktzugang zu diesen Sektoren zu verweigern oder mittels diskriminierender Praktiken einzuschränken.
Schaffung von fairen Wettbewerbsbedingungen
Zur Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen wurden weitreichende Vereinbarungen für staatseigene chinesische Konzerne getroffen. Diese müssen ihre Entscheidungen künftig ausschließlich auf der Basis von wirtschaftlichen Abwägungen treffen. Europäische Unternehmen dürfen in diesem Zusammenhang nicht mehr bei dem Verkauf oder Kauf von Waren und Dienstleistungen diskriminiert werden. Darüber hinaus wurde eine Informations- und Konsultationspflicht vereinbart, wenn Handlungen von staatseigenen Konzernen einen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit von europäischen Investoren nehmen.
Dass europäische Unternehmen durch das Investitionsabkommen eine gleiche Behandlung wie staatseigene Unternehmen erfahren, ist zwar noch in weiter Ferne. Jedoch verpflichtet sich China, die Höhe der Subventionen im Dienstleistungssektor jährlich zu veröffentlichen, um Transparenz zu schaffen. Dieser Aspekt geht auch über bestehenden WTO-Regelungen hinaus. Des Weiteren sieht das Abkommen vor, dass europäische Investoren über Subventionen, die ihre Geschäftstätigkeit beeinflussen, informiert und konsultiert werden müssen.
Der erzwungene Technologietransfer bei Investition ist seit geraumer Zeit Gegenstand der Kritik europäischer Unternehmen. In diesem Punkt sieht die Einigung ein Verbot von Investitionsanforderungen vor, die einen Technologietransfer forcieren sowie die Wahrung der Vertragsfreiheit bei der Lizenzierung von Technologien. Betriebsgeheimnisse sollen so besser geschützt werden.
Einhaltung verbindlicher Standards
Im Bereich der nachhaltigen Entwicklung soll sich China, gemäß den Wünschen der EU, zu festen Standards verpflichten. So hat China eingewilligt, das Pariser Klimaschutzübereinkommen sowie die von ihm ratifizierten Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) wirksam umzusetzen. Außerdem hat sich China bereit erklärt, kontinuierliche und nachhaltige Anstrengungen zur Ratifizierung der grundlegenden IAO-Übereinkommen über Zwangsarbeit zu unternehmen. Grundsätzlich soll durch diese Regelungen verhindert werden, dass China ausländische Investoren mit niedrigen Schutzstandards anlockt und so den Wettbewerb verzerrt.
Offene Punkte
Mehrere wichtige Aspekte werden mit dem nun erzielten Übereinkommen noch nicht geregelt. Dazu zählen insbesondere die Themen Investitionsschutz und Beilegung von Investitionsstreitigkeiten. Peking und Brüssel verständigten sich aber darauf, innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss des Investitionsabkommens eine Einigung diesbezüglich zu erzielen. Aus deutscher Sicht ist es zwingend notwendig, dass das Schutzniveau eines solchen Abkommens dem des bereits existierenden bilateralen Abkommens zwischen China und Deutschland entspricht. Weiterhin problematisch ist, dass europäische Unternehmen von öffentlichen Ausschreibungen in China nach wie vor ausgeschlossen werden können. Auch dazu finden sich keine Vereinbarungen im Investitionsabkommen. Der Streitpunkt kann jedoch auch außerhalb der getroffenen Übereinkommen geregelt werden. So arbeitet die EU bereits an einer Regelung, die es erlaubt, ausländische Unternehmen von öffentlichen Aufträgen auszuschließen, wenn EU-Unternehmen in gleicher Weise auf dem entsprechenden ausländischen Markt bei öffentlichen Ausschreibungen benachteiligt werden.
Weitere Schritte
Die bisherigen Verhandlungstexte wurden noch nicht veröffentlicht. Bis Anfang 2022 soll das Investitionsabkommen ratifiziert werden. In der Zwischenzeit muss es übersetzt und juristisch geprüft werden. Anschließend bedarf es der Zustimmung der Regierungen aller 27 EU-Staaten sowie der des Europäischen Parlaments.
Den Vertragstext des Abkommens (in englischer Sprache) finden Sie hier.