Die Perspektive aller Beteiligten berücksichtigen
Wie können Generationenkonflikte bei einer familieninternen Unternehmensnachfolge vermieden werden?
Beim unternehmerischen Nachfolgemanagement lauern zahlreiche Fallstricke. Soll die Nachfolge familienintern geregelt werden, kommen zusätzliche hinzu: Denn nun drohen auch noch familiäre Animositäten das Geschehen zu beeinflussen.
Eine klassische Ausgangslage, die mir in meiner Praxis als Begleiter der Nachfolgeregelung in mittelständischen Familienunternehmen so oder ähnlich immer wieder begegnet: Alle Beteiligten wissen „eigentlich“, dass die Nachfolge angegangen werden sollte, ja angegangen werden muss. Und „eigentlich“ wissen die Beteiligten auch, wie diese aussehen soll – leider nur jeder für sich. Trotzdem entwickelt niemand die Initiative, den dringend notwendigen Prozess anzustoßen, sodass er möglichst ohne Streitigkeiten und Konflikte über die Bühne gebracht werden kann. Woran liegt das, was ist zu tun?
Nachfolgedrama vermeiden
Oft spielen psychologische Faktoren aufseiten der Protagonisten eine Hauptrolle und lassen ein Nachfolgedrama in mehreren Akten entstehen. In dem angesprochenen Beispiel will und kann die „abgebende“ Generation – hier sind es Mutter und Vater, Seniorin und Senior – einfach nicht loslassen und schiebt die Entscheidung vor sich her. Das klärende Gespräch mit der Tochter, die übernehmen soll, findet nicht statt. Seniorin und Senior, zugleich die Gründer, wollen sich von ihrem Lebenswerk nicht trennen, und sind innerlich nicht bereit, abzugeben. Hier spielt nicht selten die fehlende persönliche Perspektive für die Zeit danach eine wichtige, aber nicht offensichtliche Rolle. Die Verantwortung in die Hände der Tochter zu legen, fällt schwer, zumal sie dieser nicht zutrauen, die Aufgabe zu stemmen und das Unternehmen im Sinn der Gründer fortzuführen. Dies gestehen sie sich selbst gegenüber jedoch nicht ein. Hier tut sich ein weiterer Fallstrick auf, denn die Erwartung der abgebenden Generation, die Nachfolgerin würde „alles genau so machen wie sie selbst und weitermachen wie bisher“, ist ein grober Fehler, der die Nachfolge gefährdet. Die Tochter muss die Möglichkeit haben, ihre eigenen Vorstellungen und Ideen umzusetzen und auch Fehler zu machen, ohne sich ständig vor Seniorin und Senior rechtfertigen zu müssen.
Weiter ist sich die Tochter noch gar nicht im Klaren darüber, ob sie die Nachfolge überhaupt antreten will. Ihre beruflichen und privaten Pläne lassen sich mit der Nachfolge nicht so einfach in Übereinstimmung bringen. Das Jura-Studium macht Spaß, ein erstes Kanzlei-Angebot liegt bereits vor. Die ungeklärte Situation lässt das Angebot zusätzlich attraktiv erscheinen.
Ehrlich das Gespräch suchen
Die vertrackte Situation ist entstanden, weil alle das offene Gespräch scheuen, sei es aus eigener Unsicherheit oder aus der Befürchtung heraus, die andere Seite zu enttäuschen. Einen Ausweg bietet die Integration einer nicht unmittelbar betroffenen Person. Dies kann ein guter Freund der Familie oder ein Anwalt sein. Zielführend ist der Austausch mit Menschen, die eine ähnliche Situation durchlebt und durchlitten haben, sowie mit befreundeten Verbandsmitgliedern oder Netzwerkpartnern. Eine Alternative besteht in dem Austausch mit einem vollkommen Unbeteiligten, der als Coach oder Mediator den Kommunikationsprozess anstößt und begleitet. Diese Person trägt dafür Sorge, dass die beteiligten Familienmitglieder im konstruktiven Dialog zunächst einmal ihre jeweilige Sicht der Dinge für sich zu erarbeiten und darstellen, sodass jeder weiß oder einschätzen kann, was die Beteiligten bewegt.
Ist eine externe Person beteiligt, werden in unserem Beispiel die Eltern wohl eher in der Lage sein, ihre Bedenken bezüglich der Eignung der Tochter zu artikulieren. Diese wiederum weist nun in einem geschützten Raum darauf hin, dass es nicht darum gehen kann, „alles wie bisher“ weiterzuführen, sondern Neues und Notwendiges auszuprobieren oder anzugehen. Voraussetzung ist, miteinander überhaupt erst einmal ins Gespräch zu kommen und dabei ehrlich und transparent zu agieren. In solch einer Atmosphäre wird vielleicht die Idee geboren, dass die Tochter zunächst das Jurastudium beendet, bei der Unternehmensführung verstärkt ihre juristische Expertise einbringt und mithilfe eines gemeinsam erarbeitenden Plans fehlende Kompetenzen aufbaut. Denn Fehleinschätzungen bezüglich der unternehmerischen Eignung eines Nachfolgers gehören zu den Fallstricken, die bei Nachfolgeprozessen häufig eine Rolle spielen.
Verständnis füreinander entwickeln
Konstruktive Überlegungen lassen sich anstellen, sobald die Beteiligten ihre jeweiligen Erwartungen zur Sprache bringen, einander zuhören und vor allem bereit sind, sich auf den Stuhl des anderen zu setzen und deren Perspektive einzunehmen. Lösungen sind möglich, ja, werden oft erst dann gesehen, wenn das Verständnis füreinander da ist und wächst.
Ein moderierter Nachfolgeprozess ist sinnvoll, weil sich so auftretende Konflikte oder Unsicherheiten ins lösungsorientierte Fahrwasser leiten lassen. Den Beteiligten fällt es meistens schwer, die eigene Emotionen in den Griff zu bekommen. Bei Familienunternehmen spielen bisweilen unausgesprochene familiäre Konflikte mit hinein, die mit der eigentlichen Herausforderung, der Nachfolgeregelung, nichts zu tun haben, zum Beispiel verschüttete Eltern-Kind-Probleme oder die angesprochene fehlende Perspektive der Eigentümer, die mit der Nachfolgeregelung hadern, weil sie nicht wissen, was sie sinnvollerweise mit der gewonnenen (Frei)Zeit anfangen können und wollen. Die Nachfolger wiederum befürchten, dass sich „die Alten“ bestimmt immer wieder einmischen und ihre Entscheidungen hinterfragen oder gar sabotieren werden. In der Folge ist es ihnen kaum möglich, ihre Rolle im Unternehmen zu finden – das sorgt für Unruhe, selbst wenn die früheren Eigentümer formal keine Befugnisse mehr haben.
All diese Fallstricke und Gefahren lassen sich mithilfe klarer Vereinbarungen und Regeln, die von den Beteiligten im Commitment verabschiedet werden, zwar nicht gänzlich vermeiden, aber zumindest doch eindämmen. In dem Fallbeispiel beginnt dies bereits mit der Frage, ob die Tochter die Nachfolge überhaupt antreten will. Ist dies nicht gegeben, gibt es Lösungen, etwa die Übergabe der Unternehmensführung an eine dritte Person. Des Weiteren ist abzuwägen, ob die Familie Eigentümer bleibt oder der Verkauf des Unternehmens eine Option ist. Weitere Möglichkeiten sind die Verpachtung der Firma oder deren Einbringung in eine Stiftung. Abermals gilt: Dies lässt sich nur thematisieren, sofern die Wünsche der Familienmitglieder offen ausgesprochen werden. Erst danach ist es zielführend, zwischen den verschiedenen Alternativen abzuwägen und sich mit den finanziellen, rechtlichen und steuerlichen Aspekten der Nachfolgeregelung im Detail zu beschäftigen.
Fazit
Familienmitgliedern gelingt es selten, in der emotional geführten Nachfolgediskussion kühlen Kopf zu bewahren, eine persönliche Perspektive zu entwickeln und diese auch noch angemessen zu vertreten. Allzu oft gilt die Konzentration den unternehmerischen Aspekten. Schließlich sollen die Stakeholder – Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden – nicht unnötig verunsichert werden. Darum ist es wichtig und richtig, die Nachfolge frühzeitig und professionell zu regeln sowie den Übergang sorgsam und professionell zu gestalten.
Übrigens: In dem Fallbeispiel hat ein Coach eine Bestandsaufnahme vorgenommen, die Vorstellungen, Erwartungen und Motive der Beteiligten geklärt, deren Interessen zusammengeführt und gemeinsam mit ihnen Lösungsvorschläge und einen Maßnahmenplan erarbeitet. Eltern und Tochter können nun in einen strukturierten Nachfolgeprozess eintreten.
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Dieser Beitrag ist Teil von Mittelstand WISSEN zum Thema "Arbeitswelt von morgen"