30.08.2023Interview

Nachfolge: „Mein Lebenswerk in besten Händen“

Fallstricke und Erfolgsfaktoren bei der Nachfolgeplanung: Experte Knuffmann gibt im Interview Tipps aus der Beratungspraxis.

Vom Unternehmer zum Unternehmensberater: Klaus-Christian Knuffmann ist Experte für Unternehmensverkauf (M&A), Unternehmenskauf und Generationswechsel in kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Aus seiner jahrelangen Erfahrung als Unternehmer und Berater hat er ein Buch geschrieben, dass einerseits eine kurzweilige Lektüre ist, andererseits wichtige Erfahrungen für eine gelingende Unternehmensnachfolge subtil und unterhaltsam vermittelt.

Mit dem Nachfolgeexperten hat der DMB über das Buch, die Beratungspraxis, über das „Loslassen“ des eigenen Lebenswerkes und über Fallstricke beim Generationswechsel gesprochen.   

 

DMB:Hallo Herr Knuffmann, kürzlich ist Ihr Buch "Mein Lebenswerk in besten Händen – 12 kurzweilige Geschichten für eine gelingende Unternehmensnachfolge" erschienen. Handelt es sich bei Ihrem Werk um eine Autobiographie, da Sie selbst eine bewegte Nachfolgegeschichte als Familienunternehmer durchlebt haben, oder handelt es sich eher um Fälle und Beobachtungen aus Ihrer Praxis als Unternehmensberater?

Klaus-Christian Knuffmann: Es ist beides. Die Idee ist zunächst entstanden, nachdem ich die Unternehmergeschichte meiner Familie, deren Anfang auf das Jahr 1900 zurückgeht, relativ abrupt beendet habe. Im Jahr 2000 haben wir ein schönes hundertjähriges Jubiläum gefeiert, indem wir mit unseren Kunden ein dreiwöchiges Event veranstaltet haben – mit einem gigantischen Erfolg. Wir verkauften so viele Möbel wie nie zuvor. Danach sind wir aber in Schwierigkeiten geraten, weil wir die Menge an Möbeln und Aufträgen gar nicht abarbeiten konnten. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass so viel verkauft wird. Damals gab es noch ein Rabattgesetz und die Leute sind wegen 10 Prozent Rabatt massenhaft bei uns einkaufen gekommen, auch weil Jörg Töpperwien, ein Radio Reporter, der die Fußball Bundesliga derzeit kommentierte, Werbung für uns gemacht hat. Nach diesem Erfolg mussten wir restrukturieren. Nach erfolgreicher Restrukturierung wurde ich persönlich sehr krank und habe entschieden, das Unternehmen zu verkaufen. Ich habe mir damals zum ersten Mal die Frage gestellt, ob ich, auch wenn ich erst 40 Jahre alt war, noch der Richtige bin auf dem die Verantwortung für fast 500 Familien lastet und ob es richtig ist, dass ich an meiner Position festhalte.

Das ist jetzt knapp 20 Jahre her und ich hatte die Idee, unsere ganze Unternehmensgeschichte, an der ich lange Zeit mitarbeiten durfte, einmal aufzuschreiben.

Mittlerweile habe ich zudem meine Passion in dem Thema Unternehmensnachfolge gefunden, da ich in den vergangenen Jahren viele faszinierende Unternehmerfamilien und spannende Geschäftsmodelle kennenlernen durfte. Jedes Mal, wenn ich eine Unternehmerfamilie erfolgreich begleitet habe, schreibe ich Notizen über den Prozess auf. Welche besonderen Herausforderungen hat es gegeben? Wie ist es am Ende ausgegangen und funktioniert die Lösung immer noch? Daraus ist das Buch mit 12 echten Geschichten entstanden. Die Namen der Unternehmerinnen und Unternehmer wurden im Buch natürlich verändert.

 

Also ist das Buch eine Art „Best of“ Ihrer Beratungsfälle?

Ja, es sind meine absoluten Lieblingsgeschichten. Meine eigene Geschichte ist auch dabei. Es sind verschiedenste Branchen und Schwerpunkte enthalten. Sowohl familieninterne Themen, bei denen sich Familien über Jahre schwertun, eine Entscheidung zu treffen, wer es machen soll und wie die anderen Familienmitglieder behandelt werden sollen. Wo das Angebot, eine Mediation durchzuführen, abgelehnt wurde. Es werden aber auch klassische Nachfolgeprojekte thematisiert. Wenn es keine familieninternen Nachfolger gibt, suchen wir einen externen Nachfolger. Bei zwei Geschichten im Buch, wich die Erwartungshaltung der Unternehmerfamilien deutlich von dem ab, was wir am Ende erreichen konnten. Die ursprüngliche Vorstellung der Familien war nicht mehr realisierbar, da der Markt sich plötzlich, beispielsweise durch Corona, gegen das Unternehmen gestellt hat. Es ist ein breites Potpourri an Branchen und Erfahrungen enthalten, die Menschen machen, wenn sie ein Unternehmen weitergeben wollen.

 

Was würden Sie denn aus Ihrer eigenen Erfahrung als Unternehmer sowie aus Ihrer Beratererfahrung heraus sagen: Gibt es wichtige Punkte oder Faktoren, die man unabhängig von Branche und Unternehmensgröße immer wieder in diesen Prozessen entdeckt?

Es ist sehr wichtig, dass man schon frühzeitig die wichtigsten Unterlagen organisiert und eine vertraute dritte Person ebenfalls Zugriff darauf hat. Man stellt so unter Umständen auch fest, dass bestimmte Dinge veraltet sind. Sollte einem tatsächlich etwas passieren, hat man dafür gesorgt, dass jemand anderes in der Lage ist, im eigenen Sinne weiterzumachen. Ein zweiter wichtiger Punkt, bei dem es oft große Probleme gibt, ist die Fokussierung des Know-hows auf den Inhaber. Die Unternehmen sind gewachsen und der Inhaber oder die Inhaberin hat oft über Jahrzehnte Erfahrungen angesammelt und behält diese häufig für sich. Er oder Sie hat Beschäftigte, die zuarbeiten, ohne die das Geschäft auch nicht betrieben werden könnte, aber die Führungsperson, der Unternehmer behält häufig die wichtigen Informationen für sich. "Lonley at the top“ nennt man das. Wenn man nicht bereit ist, sein Unternehmen so zu organisieren, dass auch andere Personen Führungsaufgaben übernehmen können, dann wird es sehr gefährlich. Dann bekommt man von Kaufinteressenten zu hören: “Wenn sie nicht mehr da sind, funktioniert das hier einfach nicht. Wie wollen Sie mir als Käufer das Wissen transferieren?“. Außerdem ist es wichtig, das Zahlenwerk richtig aufgearbeitet zu haben.

 

In der Realität sieht das wahrscheinlich meistens anders aus, oder?

Es gibt gut aufgestellte Unternehmen, wo wir in der Vorbereitung merken, dass alles, was wir brauchen, eigentlich schon da ist. Wir erstellen beispielsweise ein sehr aufwendiges Exposé und eine Unternehmensbewertung, wofür wir viel Zahlenmaterial und Bildmaterial brauchen. Wir benötigen Informationen über die Struktur des Unternehmens, über den Markt und über die Kunden. Viele Unternehmen haben all diese Punkte sorgfältig vorbereitet. Aber es gibt auch Fälle, bei denen im Frühjahr 2023 der Jahresabschluss von 2021 noch nicht fertig ist, weil man die Abgabefrist zum Finanzamt bis zum letzten Tag ausnutzen möchte. Für einen Verkaufsprozess ist das natürlich eine Katastrophe. Häufig lässt auch die Investitionsbereitschaft der Unternehmer mit zunehmenden Alter nach, wenn man sich vorstellen kann, dass bald eine andere Person das Unternehmen leitet. Auch beim Unternehmenswert treffen wir häufig auf verklärte Vorstellungen. Vielfach wird kein angemessenes Geschäftsführer-Gehalt angesetzt, was sofort den Unternehmenswert reduziert. Das aber jemand auch für seine Tätigkeit, die er 8 bis 10 Stunden am Tag erbringt, fair entlohnt werden will, wird häufig vergessen.

 

Ihr Buch hat den Titel „Mein Lebenswerk in besten Händen“. Der Begriff “Lebenswerk” verdeutlicht, welchen emotionalen Stellenwert ein Nachfolgeprozess hat. Würden Sie sich im Beratungsalltag eher als Psychologe oder als Betriebswirt bezeichnen?

Häufig bin ich als Psychologe gefragt und nicht so sehr als Betriebswirt. Das Betriebswirtschaftliche ist in der Regel gut aufgestellt, teilweise auch hervorragend. Es ist bemerkenswert, was die Unternehmer in den letzten Jahrzehnten geschaffen haben und wie wenig abhängig sie von Kreditinstituten geworden sind. Ein Hauptaugenmerkt liegt deshalb auf dem psychologischen Aspekt und darauf zu erklären, dass es auch noch eine Zeit nach dem Unternehmertum gibt. Es ist ja auch die Angst bei vielen Unternehmerinnen und Unternehmern vorhanden, dass da niemand mit ihrem Unternehmen so gut wirtschaftet, wie sie es selbst gemacht haben. Ich hatte einen Klienten, der schon 75 Jahre alt war. Wir hatten einen Käufer gefunden, der nicht aus der Branche kam. Daraufhin hatten Käufer und Verkäufer festgestellt, dass sie einen qualifizierten Betriebsleiter suchen müssen, der aus der Branche kommt und das Thema versteht. Als Folge haben wir dann über eine Personalberatung passende Lösungen gesucht. Wir haben ein Assessment Center mit fünf Bewerberinnen und Bewerbern durchgeführt. Der Inhaber hat schnell eine der weiblichen Kandidatinnen favorisiert. Bei dem zweiten Gespräch stellte sich heraus, dass die Kandidatin Mitte 40 und Mutter von Zwillingen ist.  Ihr Mann, der 10 Jahre älter ist und auch deutlich weniger verdiente als sie, müsste bei einer Einigung den Haushalt führen. Nach dem Gespräch bekam ich einen Anruf des Unternehmers, in dem es hieß: “Also das können wir nicht machen, das geht nicht, als junge Mutter kann die Kandidatin Beruf und Familie so nicht in Einklang bringen.” Ich habe dann versucht zu erklären, dass das heute sehr wohl geht, dass das alles ein bisschen anders ist als früher und in der jungen Generation neue Familienkonzepte möglich sind. Aber das hat der Unternehmensinhaber kategorisch abgelehnt. Am Ende sind sie nicht zusammengekommen. In solchen Situationen sind wir dann häufig als Psychologen gefragt.

 

Gibt es aus Ihrer Perspektive so etwas wie „den Wunschnachfolger“ oder „die Wunschnachfolgerin“? Welche Qualitäten muss ein Nachfolger, eine Nachfolgerin haben, um ein Unternehmen zu übernehmen?

Da bringe ich immer das Beispiel der eigenen Kinder an: Wenn ich Kinder habe und danach strebe das Unternehmen in der Familie zu behalten, dann empfehlen wir, dass man sie schon sehr früh mit in das Geschäft, in den Betrieb, nimmt, dass sie „Stallgeruch“ bekommen. Es ist wichtig, dass das Geschäft bei den Kindern mit positiven Gefühlen verbunden ist. Man darf nicht vergessen: Oft ist ein Unternehmen bei Kindern per se eher negativ besetzt, weil es den Papa oder die Mama vereinnahmt. Außerdem ist das Thema Ausbildung sehr wichtig. Wir empfehlen immer die bestmögliche und eine möglichst internationale Ausbildung anzustreben. Das gilt für externe Kandidaten genauso. Auch Praxiserfahrungen sind sehr wichtig. Potenzielle Nachfolger sollten sehen, wie in anderen Betrieben gearbeitet wird.  Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass man bewiesen hat, dass man mit Menschen umgehen kann und in der Lage ist, ein Team zu formen und zu führen. Das ist eine Qualität oder Kompetenz, die nicht studiert werden kann. 

 

Bei der Unternehmensnachfolge gibt es sehr unterschiedliche Blickwinkel und teilweise konkurrierende Ziele. Für den Unternehmer ist es ein Ziel, dass das eigene Lebenswerk in die bestmöglichen Hände übergeben wird. Für den Nachfolger steht Selbstverwirklichung oft im Fokus. Was mach für Sie als Berater einen erfolgreichen Nachfolgeprozess aus?

Für mich ist es am wichtigsten, dass ich das Gefühl habe, Käufer und Verkäufer passen zusammen und eine Verbindung zwischen beiden Parteien besteht auch nach der Unterzeichnung des Kaufvertrags.  Manchmal gibt es auch Situationen, in denen der Unternehmer noch Geschäftsführer bleibt. Besonders schön ist für mich auch, wenn ich angerufen werde und der Verkäufer sagt: Das Geld ist da! Das ist ein großer Meilenstein nach einem oft langen Prozess! Ich finde es aber auch toll, wenn wir nach einem Jahr Kontakt haben und ich höre, dass beide Parteien mit sich im Reinen sind. Mein Bestreben besteht nie darin, nur die bestmögliche Lösung für den Verkäufer zu finden, sondern es muss immer eine Win-Win-Situation sein. Der Käufer muss auch die Chance haben, etwas zu entwickeln. Er oder Sie muss auch die Chance haben, in einer überschaubaren Zeit den aufgebrachten Kaufpreis zurückzuverdienen, denn sonst würde man das selbst auch nicht machen.

 

Sie hatten eben angesprochen, dass es durchaus Probleme damit gibt, „Unternehmenswissen“ an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu vermitteln. Welche Formen der Wissensübermittlung sind aus Ihrer Perspektive erfolgversprechend?

Wichtig ist, immer eine gute Dokumentation zu führen. Gut dokumentierte, vielleicht auch digitalisierte Unterlagen, beispielsweise über Geschäftsprozesse oder über Produktionsverfahren, sind äußerst hilfreich. Eine gute Kunden-, sowie Lieferantendatei ist ebenfalls von hohem Wert. Grundsätzlich ist zudem eine Übergangsphase in der Zusammenarbeit zwischen Käufer und Verkäufer mit abnehmender Intensität sehr sinnvoll. Wir empfehlen häufig, dass der Unternehmer ein bestimmtes Tageskontingent festlegt, so dass der Käufer dann ganz genau weiß, was er abrufen kann. Das funktioniert immer sehr gut, wenn beide Seiten von vornherein klar vereinbaren, in welchem Umfang weiter zusammengearbeitet werden soll. Außerdem empfiehlt es sich, klare Aufgaben zu definieren, wie zum Beispiel gemeinsame Kundenbesuche, sodass Verabschiedung und Einführung gut gelingen.

 

Nehmen wir folgendes Szenario an: ich bin Unternehmer, 55 Jahre alt und möchte gerne noch ein paar Jahre arbeiten, aber rechtzeitig meine Nachfolge regeln. Wann sollte man mit Vorbereitungen beginnen?

Ja, sie sollten die Nachfolgeplanung starten. Wenn man mit 55 anfängt und dann mit Anfang 60 eine Lösung hat, ist das schon richtig und das Leben bietet ja auch noch eine ganze Menge anderer Dinge. Mit Mitte 50 kann man vielleicht die erste Veranstaltung zu dem Thema besuchen und erfahren, wie man sein Unternehmen bestmöglich für eine geplante Nachfolge aufstellt, was denn für ein Vertragswerk notwendig ist, damit eine gute Absicherung für einen selbst als Unternehmer erreicht werden kann. Außerdem würde ich mir die Frage stellen, ob es im Unternehmen potenzielle Nachfolger gibt, die durch gezielte Weiterbildungsmaßnahmen (Führungstrainings etc.) aufgebaut werden können. Das geht auch nicht von heute auf morgen. Wenn Beschäftigte über die notwendigen Qualifikationen verfügen, haben Sie nur selten das Geld, um die Firma zu übernehmen. Also sollte geschaut werden, wie man eine mögliche Finanzierungsstruktur zusammen mit einem jungen Nachfolger entwickeln kann.

Ein wichtiger Schritt ist es, das Unternehmen wirtschaftlich auf eine Nachfolge vorzubereiten. Beispielsweise können Abhängigkeiten von bestimmten Lieferanten und Kunden rechtzeitig verringert werden. Dafür braucht es natürlich Zeit. Ferner kann der Aufbau einer zweiten Führungsebene für bestimmte Geschäftsbereiche sinnvoll sein, um das Unternehmen unabhängig von der eigenen Person zu machen. Es ist ja auch ein gutes und beruhigendes Gefühl, wenn ich als Unternehmer mal nicht im Betrieb bin und weiß, dass die betrieblichen Abläufe trotzdem wunderbar funktionieren.

 

Noch eine Frage: Haben Sie den Eindruck das das Thema „Nachfolge“ aktuell mehr Aufmerksamkeit erhält?  

Das merke Ich bei meiner Arbeit tatsächlich. Die Aufmerksamkeit hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Auch die Bankenwelt und die Kammern beschäftigt sich insgesamt mehr mit dem Thema. Ich glaube, dass das auch eine Generationenfrage ist. Wenn man sich die Bevölkerungspyramide anschaut, ist das rein statistisch so, dass jetzt gerade besonders viele Unternehmerinnen und Unternehmer in ein Alter kommen, in dem sie sich damit beschäftigen sollten. Ein zweiter Punkt ist der Fachkräftemangel. Wir stellen damit einhergehende Herausforderungen an allen Ecken fest, ob das im Handwerk ist, ob das im Handel ist, ob das qualifizierte Leute von der Universität sind. Ich denke, dass auch dadurch das Thema Nachfolge immer mehr in den Fokus gerät. Denn es besteht zunehmend die Sorge, dass sie auch niemanden mehr finden, der die Nachfolge im Unternehmen antreten kann oder will.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Knuffmann!

 

 

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Klaus-Christian Knuffmann

Mein Lebenswerk in besten Händen
12 kurzweilige Geschichten für eine gelingende Unternehmensnachfolge

 

Vandenhoeck & Ruprecht, 1. Auflage 2022
232 Seiten, mit farbigen Illustrationen, gebunden
ISBN: 978-3-525-45018-5
25,00 Euro

 

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