24.11.2023Interview

„Immer mehr Berufe entwickeln sich um klimafreundliche Aspekte weiter“

Dr. Markus Janser beschäftigt sich am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) mit dem Thema Ausbildungsmarkt und ökologische Transformation und hat gemeinsam mit Kollegen den Bericht „Auszubildende entscheiden sich zunehmend für Berufe mit umweltfreundlichen Tätigkeiten“ veröffentlicht. Im Interview mit dem DMB erläutert er, wie Klimawandel und Klimaschutz den Ausbildungsmarkt in den vergangenen Jahren verändert hat und welche Bedeutung die duale Ausbildung für eine gelingende Energiewende hat.

DMB: Herr Dr. Janser, wie hat sich das Geschehen am Ausbildungsmarkt vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Klimaschutzmaßnahmen in den vergangenen Jahren verändert?

Wir haben in unserer Studie die Ausbildungsmarktstatistiken und Sozialversicherungsdaten der Bundesagentur für Arbeit analysiert und die Ergebnisse mit unserem „Greennes-of-Job-Index“ – oder kurz „GOJI“ verknüpft. Der GOJI basiert auf den Kompetenzlisten aller gut 4.000 Einzelberufe in Deutschland und gibt den Anteil umweltschutzbezogener Tätigkeiten in einem Beruf an. Jeder Beruf hat somit einen Indexwert, welcher auf einer kontinuierlichen Skala zwischen -1 (alle Kompetenzen gelten als umweltschädlich) und +1 (alle Kompetenzen gelten als umweltfreundlich) liegt. Mit Hilfe der verknüpften Daten konnten wir so herausfinden, dass die Zahl der neuen Ausbildungsverhältnisse in den Berufen mit Green Skills – also Berufe, die umweltschonende Tätigkeiten in ihrem Kompetenzprofil haben – in den vergangenen zehn Jahren um 14 Prozent gestiegen ist. Im Gegensatz dazu ist die Anzahl der gesamten begonnenen Ausbildungen in derselben Zeitspanne gesunken. Darüber hinaus sind die neuen Ausbildungsverhältnisse in Berufen mit Brown Skills – Berufe, die umweltschädigende Tätigkeiten in ihrem Kompetenzprofil haben – um 15 Prozent gesunken. Diese Werte könnten sich zum einen aus dem Ideal junger Menschen heraus entwickelt haben, einem umweltfreundlichen Beruf nachzugehen, oder durch eine rein rationale Entscheidung zustande gekommen sein, einen Beruf zu wählen, dem mehr Zukunftsfähigkeit zugesprochen wird. Die Motivation der jungen Menschen, die hinter diesen Zahlen steht, ist ein wichtiges und spannendes Forschungsfeld für die Zukunft. ­­

Einige Berufe haben sich in ihrer Umweltfreundlichkeit über den Untersuchungszeitraum verändert. Wie haben Sie dies in Ihrer Analyse berücksichtigt?

Wir haben den Stand der Berufe mit Green Skills zum Startzeitpunkt 2013 beibehalten und die Veränderung der „Greenness“ der Berufe außenvorgelassen. Wir schauen uns also im genannten Bericht nur die Berufe an, die damals schon Green Skills bzw. Brown Skills aufwiesen. So kann man das reine Wachstum innerhalb der Berufe beobachten, ohne fälschlicherweise nur ein Wachstum zu messen, das entsteht, wenn während des Betrachtungszeitraums ein zusätzlicher Beruf mit Green bzw. Brown Skills hinzukommt. Bei den Berufen mit Green Skills handelt es sich hierbei um klassische Umweltberufe, wie beispielsweise Fachkraft für Umweltschutz, aber auch Handwerksberufe, wie z. B. Schornsteinfeger oder Dachdecker, da die Kompetenzlisten diese Berufe schon 2013 als umweltfreundliche Tätigkeiten umfassten.

Damit die Methodik verständlicher wird, möchte ich noch folgende Informationen ergänzen: Um die Berufe besser fassen zu können, haben wir Fachwörterbücher für die Green und Brown Skills entwickelt, mit deren Hilfe wir die Berufe zuordnen konnten. Wir waren dabei sehr vorsichtig und haben nur eindeutige Kompetenzen einbezogen. Dies gilt für beide Richtungen, also für Brown und Green Skills. Es handelt sich bei dem Kurzbericht also eher um eine konservative Schätzung.

Wir arbeiten zurzeit an einer weiteren Erhebung, die den Wandel im gesamten Arbeitsmarkt mit einbezieht, und die ersten Ergebnisse deuten darauf hin, dass nicht nur bei den Auszubildenen, sondern bei allen regulär Beschäftigten ein deutlich höheres Wachstum bei den Berufen mit Green Skills zu beobachten ist. Das zeigt, dass sich immer mehr Berufe um klimafreundliche Aspekte weiterentwickeln und die Zahl der Green Skills-Berufe immer weiterwächst.

Wie hoch schätzen Sie die Bedeutung der dualen Ausbildung für die Energiewende ein?

Einige meiner Kolleginnen und Kollegen am IAB haben Erhebungen über die Zukunft der dualen Ausbildung durchgeführt. In einer Studie von Gerd Zika und anderen Forschern aus dem Jahr 2022 wurde untersucht, welche Folgen die Klimaschutz- und Wohnungsbauziele auf die Beschäftigung in Deutschland haben können. In einem Szenario, das auf das Jahr 2030 schaut, wurde errechnet, dass zirka 422.000 neue Beschäftigungsmöglichkeiten entstehen und 22.000 wegfallen werden, also ein Nettowachstum von 400.000 Jobs erwartet wird. Sie haben dabei auch die Qualifikationsniveaus mitbetrachtet und kommen zu dem Ergebnis, dass in allen Qualifikationsstufen neue Berufe entstehen werden, die meisten davon aber auf Ebene der Fachkräfte, also auf dem Niveau der dualen Ausbildung. Zurzeit gibt es schon sehr viele Berufe mit Green Skills, für die eine duale Ausbildung notwendig ist und es werden auch noch deutlich mehr dazu kommen. Das Thema Nachhaltigkeit wird in Zukunft auch in allen Berufsausbildungen vorkommen, es kann also von einem generellen Greening gesprochen werden.

Aber auch die akademische Ausbildung ist wichtig für die ökologische Transformation. Die Fachkräfte mit planerischen und koordinierenden Tätigkeiten auf Ebene von Spezialist*innen und Expert*innen werden eher über die Hochschulbildung qualifiziert. Beide Bereiche leisten einen wichtigen Beitrag zur Energiewende und der gesamten ökologischen Transformation und sind somit gleichermaßen von hoher Relevanz.

In Ihrem Kurzbericht sind Sie auch zu Erkenntnissen über die regionalen Unterschiede im Tempo des Anstiegs der Ausbildungen mit Green Skills gekommen. Können Sie das Ergebnis erläutern?

Wir konnten erkennen, dass das Greening in Bereichen mit höherem Transformationsdruck deutlich langsamer vonstatten geht als in Bereichen, in denen der Druck nicht so hoch ist. Wir können uns das so erklären, dass die Betriebe dort teilweise ihr gesamtes Geschäftsmodell umbauen müssen. Das ist mit hohen Kosten und viel Aufwand verbunden. Dazu kommt aber vor allem auch der Mangel an Fachkräften, die bei dieser Umstellung unterstützen. Gerade in strukturschwachen Regionen oder Regionen mit wenig Nachwuchs dauert dieser Prozess dann deutlich länger. Die Anzahl an neu angetretenen Ausbildungsstellen im Bereich der Green Skills ist hier also nicht so hoch. Aus diesen regionalen Unterschieden kann man schließen, dass durch gezielte öffentliche Förderung, wie beispielsweise Weiterbildungsförderung oder passgenauer regionaler Wirtschaftsförderung, die Betriebe und deren Beschäftigte besser unterstützt werden könnten. Dadurch könnten dann auch strukturschwache Regionen auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft wieder besser aufholen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Janser!

Dieses Interview ist Teil von Mittelstand WISSEN zum Thema "Arbeitswelt von morgen"

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