27.02.2024Fachbeitrag

Alle wieder zurück ins Büro?

Durch das Homeoffice laufen viele berufliche Meetings virtuell ab.

Die Stimmen, die nach der pandemiebedingten Homeoffice-Welle wieder zur überwiegenden Präsenz am Arbeitsplatz aufrufen, mehren sich. Ein wichtiger Grund ist die Förderung des Miteinanders – denn ohne den Austausch vor Ort würde die Unternehmenskultur leiden. Aber was ist mit den Vorteilen der mobilen Arbeit für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Und gibt es nur entweder – oder? Wir schauen genauer hin.

Im Zuge der Pandemie wurde das „Corona-Office“ in vielen Betrieben praktisch über Nacht eingeführt bzw. ausgeweitet. Waren es vor der Pandemie 12,8 Prozent der Erwerbstätigen, die die Möglichkeit des Homeoffice genutzt haben, stieg der Anteil 2021 während der Pandemie auf knapp das Doppelte (24,9 Prozent). Nach der Aufhebung der Homeoffice-Pflicht im März 2022 sank der Anteil nur leicht auf 24,2 Prozent ab (2022).1

Seit dem Frühjahr 2023 entwickelt sich in den Führungsetagen jedoch wieder eine kritische Haltung gegenüber dem Homeoffice, und Beschäftigte sollen wieder in den Betrieben und Büros präsent sein. Dies zeigt eine aktuelle weltweite Studie, in der über 1.300 CEOs großer Unternehmen befragt wurden. Von den 125 an der Umfrage beteiligten deutschen Firmenchefs gehen 68 Prozent davon aus, dass ihre Mitarbeitenden innerhalb der kommenden drei Jahre wieder Vollzeit in die Büros zurückkehren werden.

Dieser Einstellungswandel schlägt sich etwas moderater in der deutschen Wirtschaft nieder. Seit dem Frühjahr 2023 holen teils namhafte Firmen ihre Mitarbeitenden zumeist in hybriden Formen wieder zurück ins Büro. Die Allianz Deutschland AG regelt in einer Betriebsvereinbarung vier Tage vor-Ort-Arbeit im Monat. Google, Beiersdorf, Henkel und die Deutsche Börse verpflichten ihre Mitarbeitenden, an drei Tagen die Woche ins Büro zu kommen, während es bei der Deutschen Post und Zalando zwei Tage sind. Laut einer aktuellen repräsentativen Studie haben 6 von 10 Unternehmen ein Hybrid-Work-Modell entwickelt.2

Im Zusammenhang mit dem Rückruf in die Büros oder dem „Great Return“ wird in deutschen Unternehmen vor allem auf die Vorteile des Arbeitens im Büro verwiesen, das den informellen Austausch und die Verbundenheit der Mitarbeitenden stärke. Es entwickeln sich aber auch Zweifel an der Innovationskraft und Kreativität der Arbeitsergebnisse, die von „Einzelkämpfern“ in der Abgeschiedenheit der eigenen Wohnung erreicht würden, was auch den global agierenden Konzern SAP zu seiner neuen Anwesenheitspflicht im Büro bewegte. 

Trotz aller positiven Erlebnisse und guter Arbeitsergebnisse im Homeoffice ist es Teil der Wahrheit: Nicht überall waren und sind die technischen Voraussetzungen optimal. Beschäftigte und Führungskräfte hadern zum Teil immer noch mit den neuen Kommunikationstools. Nicht überall gab und gibt es bis heute ausreichend Zeit und Unterstützung, um eine neue Balance von Distanz und Nähe zu finden. Das alles kann Auswirkungen auf die Unternehmenskultur haben. Daraus aber den Schluss zu ziehen, das Rad wieder zurückzudrehen, würde die Augen davor verschließen, dass eine flexible Gestaltung des Arbeitsortes inzwischen ein wesentlicher Aspekt der Arbeitgeberattraktivität geworden ist – v. a. unter dem Aspekt einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Daher lohnt es sich, mit dem Erfahrungswissen aus der Corona-Zeit den Umgang mit dem Homeoffice nochmal neu zu denken. Denn: Gelingendes Homeoffice ist kein Selbstläufer, sondern erfordert Umdenken, konzeptionelle Arbeit und viel Austausch zwischen Arbeitgebern, Führungskräften und Beschäftigten.

Fünf Punkte sind dabei zentral:

  1. Weder ganz noch gar nicht: Möglichkeiten und Grenzen einzelner Tätigkeiten in den eigenen vier Wänden diskutieren und realistisch einschätzen. Denn Beschäftigte wollen gar nicht ganz auf die Arbeit im Betrieb und das Zusammensein mit Kolleginnen und Kollegen verzichten. Vielmehr wird die Möglichkeit, zuhause oder mobil zu arbeiten, von Männern und Frauen als ergänzende Option gewünscht, um Fahrtzeiten zu sparen und zeitliche Abläufe in der Familie besser mit den beruflichen Aufgaben synchronisieren zu können. Das kommt nicht zuletzt auch der Produktivität zugute, denn entspannte und zufriedene Beschäftigte können sich besser auf ihre Aufgaben konzentrieren. Die Vorteile des mobilen Arbeitens können nicht nur in der eigenen Wohnung realisiert werden. Neue Konzepte für eine flexible Arbeitsortswahl – zum Beispiel auch in näher am Wohnort gelegenen firmeneigenen Büros außerhalb der großen Firmenstandorte – können ein Kompromiss sein.
  2. Nicht für alle: Auf der Basis einer ehrlichen Auswertung der Erfahrungen beim „wie“ aber gegebenenfalls auch beim „ob“ nachjustieren. Im Kontext der „Rückholaktionen“ wird von Einbußen bei der Arbeitseffizienz berichtet – sowohl von Personalerinnen und Personalern als auch von Beschäftigten selbst. Effizientes und effektives Arbeiten im Homeoffice verlangt Disziplin, Übung und einen ruhigen Platz zum Arbeiten. Wegfallende Fahrzeiten und Flexibilität bei der Gestaltung des Alltags erleichtern die Vereinbarkeit. Fotos von Müttern und Vätern am Laptop mit kleinen Kindern auf dem Schoß sind aber keine guten Beispiele für Vereinbarkeit, denn das Homeoffice ersetzt keinesfalls die Kinderbetreuung. So muss Zeit dafür sein, hinzuschauen, für welche Arbeitsaufgaben, welche Personen und unter welchen Rahmenbedingungen das Homeoffice eine passende Arbeitsumgebung ist. Eine Checkliste hilft dabei, technische, organisatorische und arbeitspsychologische Fragen z. B. nach der Selbstregulation mit den Beschäftigten gemeinsam zu klären. Wenn beide Seiten nach einer definierten „Probezeit“ mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind, sollte evaluiert werden, wie für eine höhere Arbeitszufriedenheit aller Beteiligten gesorgt werden kann.
  3. Gemeinsam geht es besser: Verantwortung für gute Arbeitsleistung teilen. Eltern können Konflikte zwischen Beruf und Familie reduzieren, wenn sie im Homeoffice Start- und Endzeit der Erwerbsarbeit selbst bestimmen und an Bring- und Abholzeiten der Kita anpassen können. Sorgen vor Entgrenzung einerseits und fehlenden Abstimmungsmöglichkeiten andererseits können durch gemeinsam gestaltete Regeln für die Verfügbarkeit im Homeoffice reduziert werden. Beschäftigte können ihren Beitrag dazu leisten, wenn sie auch im Homeoffice ihre Arbeitszeiten dokumentieren. Eine klare Taktung der Arbeitszeit und der Zeiten für private Tätigkeiten hilft, die eigene Balance zu finden. Auch im Homeoffice ist eine gute Büroausstattung ein wichtiger Faktor für die Gesundheit der Beschäftigten und für ihre Leistungsfähigkeit. Die Verpflichtung zur Gefährdungsbeurteilung für die Arbeit in den eigenen vier Wänden sollte nicht als lästige Pflicht angesehen werden – sondern vor allem als Chance, die richtigen Maßnahmen zu finden, um Risiken und deren negative Folgen zu vermeiden.
  4. Abschied von Präsenz-Kultur nehmen: Führungskräfte bei der Entwicklung neuer Führungsmodelle begleiten. Früher galt: Die Anwesenheit im Betrieb sichert die Einbindung der Beschäftigten in Teams, die Aufgabenkontrolle und nicht zuletzt auch den eigenen Führungserfolg. Das neue Führen auf Distanz ist keine Naturbegabung und stellt die Wirksamkeit mancher bisher vertrauter Führungsinstrumente in Frage. Ein wichtiger Punkt auf dem Weg zu einem zukunftsweisenden Homeoffice-Modell ist daher die Unterstützung und Schulung hybrider Führungskompetenz. Beschäftigte, deren Chefs und Chefinnen kompetent in der hybriden Kommunikation sind, sind produktiver und zufriedener und empfinden weniger Stress. Und einmal Homeoffice heißt nicht immer Homeoffice. Nur 3,5 Prozent der Beschäftigten mit Homeofficemöglichkeiten nutzen dies für jeden Arbeitstag. Laut der repräsentativen Beschäftigtenbefragung von ShiftCollective und YouGoV hat sich ein Modus von 1 bis max. 3 Tage im Homeoffice durchgesetzt, denn 67 Prozent der Befragten haben ein eigenes Interesse an Tagen im Büro, am häufigsten wegen der Begegnungen mit Kolleginnen und Kollegen.3
  5. Gleiche Chancen für alle: Leistung im Homeoffice als gleichwertig anerkennen. Laut einer Studie des WSI wirkt es sich positiv auf die Vereinbarkeit aus, wenn die Heimarbeit arbeitsvertraglich oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt ist, und wenn Mitarbeitende auch im Homeoffice während der üblichen Arbeitszeiten arbeiten. Mehr Zeit für die Familie entsteht vor allem durch verkürzte Wegezeiten, die von den Beschäftigten als ein Hauptvorteil genannt werden. Gegen Vorurteile von Vorgesetzten helfen klare Regelungen, was Termine und erwartete Arbeitsergebnisse angeht. Daher sollten die transparente Verteilung von Verantwortlichkeiten und die Rückmeldung zu erfüllten Aufgaben zum regelmäßigen Bestandteil von Teamgesprächen gehören. Dazu gehört auch, dass die Arbeit im Homeoffice sichtbar gemacht wird und eine angemessene Anerkennung findet - auch was die berufliche Weiterentwicklung betrifft.

Das „Corona-Office“ war der Ausnahmesituation in der Pandemie geschuldet. Gleichzeitig wurde damit ein Kulturwandel in vielen Unternehmen und in den Köpfen von Führungskräften ausgelöst. Die positiven und negativen Erfahrungen sollten jetzt auf den Prüfstand gestellt werden, um daraus für ein zukunftsweisendes, vereinbarkeitsfreundliches Homeoffice zu lernen. Die Ansätze dafür liegen auf der Hand – und helfen dabei, fit für eine vielfältigere Arbeitswelt zu werden, die mehr Chancen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Arbeitgeberattraktivität bietet.

Weitere Informationen

Ein Checkheft sowie einen Leitfaden für mobiles Arbeiten finden Sie hier:

Auf der Website www.erfolgsfaktor-familie.de finden sich unter dem Menüpunkt „Vereinbarkeitsthemen“ Fakten und gute Beispiele zum Thema Mobiles Arbeiten.

Unter dem Menüpunkt „Gute Beispiele“ kann der Suchbegriff „Homeoffice“ eingegeben werden, der dann 17 betriebliche Beispiele guter Praxis anzeigt.

Fußnoten

1) https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2023/PD23_28_p002.html 

2) ShiftCollective, YouGov 2024: The Future was Hybrid. Das Ende von Hybrid Work. Eine Studie zur hybriden Arbeitswelt. https://www.shiftcollective.de/hybrid-work-studie-2#download - Befragt wurden im Jahr 2023 20 Personalverantwortliche und CEO´s sowie 1308 Beschäftigte aus dem gesamten Bundesgebiet.

3) ShiftCollective, YouGov 2024: The Future was Hybrid. Das Ende von Hybrid Work. Eine Studie zur hybriden Arbeitswelt. https://www.shiftcollective.de/hybrid-work-studie-2#download

 

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Dieser Beitrag ist Teil der Themenkolumne "Vereinbarkeit von Beruf und Familie"

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