Ist KI ein wirtschaftliches Risiko für den Mittelstand?
Künstliche Intelligenz (KI) verändert unsere Gesellschaft und unser Arbeitsleben. Es ist unumstritten, dass die Technologie bei uns Einzug findet. Diese Feststellung bestärkt Bundesarbeitsminister Heil mit seiner Prognose, dass es spätestens 2035 keine Arbeitsplätze mehr geben soll, die nichts mit KI-Anwendungen zu tun haben.1 Schon heute nutzen 18 Prozent der deutschen Betriebe KI-Tools in mindestens einem Unternehmensbereich. Doch sollten KMU die KI-Technologie als Zukunftsperspektive verstehen oder stellt sie eine Gefahr für den Mittelstand dar?
KI optimiert Betriebsprozesse und hilft gegen Fachkräftemangel
Betriebsmitarbeitende können repetitive Arbeiten (wie Rechnungen schreiben) von einer KI ausführen lassen und sich stattdessen auf andere Aufgaben konzentrieren. Mit dem Einsatz von KI können Arbeitsabläufe effizienter gestaltet werden – etwa weil KI bestimmte Aufgaben schneller erledigt oder auch weil Produktions- und Logistikprozesse optimierter laufen. Außerdem kann KI die Summe der Arbeitsunfälle verringern, indem es gefährliche Arbeiten übernimmt oder die Gefährdungslage analysiert, menschliche oder maschinelle Veränderungen (z. B. Ermüdung des Personals, Ausstoß von giftigen Substanzen) prognostiziert und bei Abweichungen des Prozesses in Echtzeit alarmiert.2
Darüber hinaus werden in der Entwicklung und Anwendung von KI spezialisierte Arbeitsplätze geschaffen. Weiterhin entstehen neue Innovationsmöglichkeiten an Produkten und Dienstleistungen. In der Folge gründen sich neue Start-ups, wie das bei unserem Mitglied „QX Analytics“ der Fall gewesen ist und sie im DMB-Interview beschrieben haben.
Die kontinuierliche Problematik des Fachkräftemangels kann mit KI gelöst werden. KI soll dabei nur bedingt fehlende Fachkräfte ersetzen, sondern vor allem bei bestehenden Arbeiten unterstützen, sodass Arbeitskräfte weniger Zeit und fachliche Vorkenntnisse für ein mindestens gleichwertiges Ergebnis benötigen. Dafür werden bereits Tools entwickelt und in der Praxis angewendet, wie das Projekt „Service-Meister“ des „eco - Verbandes der Internetwirtschaft“ zeigt.
Zwar steigert die aktuelle KI-Entwicklung zunächst den Verbrauch von Ressourcen, bspw. durch einen erhöhten Einsatz von Kühlwasser bei der Kompensation von aufgeheizten Rechensystemen bedingt durch die Vervielfachung an Berechnungsprozessen, dennoch sind zukünftig Ressourceneinsparungen zu erwarten. Unternehmen geben bereits seit einigen Jahren Einsparungen von Energie und Material auch durch verringertem Produktausschuss als vorteilhaften Nebeneffekt des KI-Einsatzes an.3 Darüber hinaus ermöglichen KI-gestützte Diagnosetools einen nachhaltigeren Umgang mit Ersatzteilen, da Teile nicht mehr auf Verdacht ausgetauscht werden müssen. Das kann mit dem eco-Projekt „Autowerkstatt 4.0“ veranschaulicht werden, da mit diesen KI-unterstützenden Fehlerdiagnosen unnötige Reparaturen in der Kfz-Branche wegfallen sollen. Solche für KMU entwickelte Anwendungen schaffen einen Ausgleich gegenüber großen KI-Vorreitern und stellen schrittweise einen fairen Wettbewerb wieder her.
KI missachtet Rechte und bevorteilt Konzerne
Für das Training von KI werden Daten benötigt. Dabei soll es vorkommen, dass missbräuchlich urheberrechtlich geschützte Daten verwendet werden. Ferner ist bislang unklar, inwiefern von KI erstellte Ergebnisse mit dem Urheberrecht vereinbar sind, insbesondere wenn für dessen Erstellung geschützte Werke verwertet werden. Des Weiteren wird aus der Perspektive des Datenschutzes nicht transparent sichergestellt, dass keine der eingegebenen Persönlichkeits- und Geschäftsdaten in zukünftige KI-Analysevorgänge miteinfließt. In Anbetracht dessen lässt sich in dem Bereich fehlende Rechtsklarheit und Rechtsdurchsetzung identifizieren.
Im Gegensatz zu anderen Nationen zählt Deutschland nicht zu den KI-Vorreitern und wird diese nur schwer einholen. Das gründet sich schon allein da darauf, dass die Privatinvestitionen in KI in den letzten zehn Jahren in den USA bei 249 Milliarden US-Dollar und in China bei 95 Milliarden US-Dollar lag, während in Deutschland nur 7 Milliarden US-Dollar investiert wurden.4 Zusätzlich haben deutsche KMU den Wettbewerbsnachteil gegenüber großen Unternehmen, weil jene KI mitentwickeln, mit Milliarden finanzieren können und bereits einsetzen. Folglich verstärkt sich die Marktungleichheit durch den Faktor „KI“ weiter ins Negative für die Seite der KMU.
Wie bei allen neuen, arbeitsverändernden Technologien werden aufgrund von KI bestimmte Tätigkeitsbereiche und daran anhängende Arbeitsplätze wegfallen. Gleichwohl weist eine Studie der Internationalen Arbeitsorganisation darauf hin, dass die meisten Arbeitsplätze nur teilweise von Automatisierungen betroffen sind und überwiegend durch KI nur ergänzt werden. Die gleiche Studie verdeutlicht aber auch, dass es die Effekte für bestimmte Gruppierungen variieren und darunter Frauen in Berufen deutlich stärker von Automatisierungen ersetzt könnten.5 Es wird zudem den Markt dahingehend beeinflussen, dass vereinzelt kleinere Unternehmen mit ihrem bisherigen Geschäftsbetrieb nicht rentabel bleiben.
Die Diskriminierung durch KI geht auf die zur Verfügung stehenden Datensätze zurück. So gibt es zahlreiche Beispiele, dass ChatGPT und andere generative KI von männlicher und westlicher Kultur geprägt und mit Vorurteilen behaftet sind. Neben dem technologischen Hintergrundwissen wird vor allem Verständnis für die Kombination von menschlicher und künstlicher Intelligenz zur optimalen Anwendung benötigt.6 Denn sollten Betriebe KI z. B. bei der Personalsuche ohne Hinterfragung der Auswahl einsetzen, werden nicht die zum Unternehmen passendsten Leute gefunden, sondern die zu den Datensätzen passendsten Personen. Wie KMU ein solcher KI-Einstieg gelingen kann, wird von Service-Meister erklärt.
Im Extremfall besteht obendrein die Gefahr, dass KI (politisch) missbraucht wird und eine Sicherheitsproblematik hervorruft. Um das zu verhindern, strebt die EU eine KI-Verordnung („AI Act“)7 an, die zumindest in der EU hochriskante KI verbieten würde. Trotz dessen verschärft sich die Gefahrenlage für Unternehmen in der digitalen Welt durch KI. Denn kriminelle Organisationen nutzen ebenfalls KI. Sie können Betrugsversuche mittels KI authentischer wirken lassen und die Versuchsanzahl vervielfachen. Das ergründet sich nicht nur durch mangelnde Verifizierungsmöglichkeiten, sondern auch durch den Einsatz von „Deepfakes“. Diese können neben dem direkten Kontakt mit Betrugsabsichten auch als virale Videofälschungen zweckentfremdet werden, mit dem Ziel, einen Imageschaden für Mitarbeitende und Unternehmen zu provozieren. Außerdem können sie Cyberangriffe vermehrt und gefährlicher durchführen. Gleichwohl das wiederum KMU ihren Schutz durch KI verstärken können, bleibt das Gefahrenpotenzial bestehen.
Mehr KI-Politik für KMU erforderlich
Die technologische Entwicklung rund um KI kann nicht ignoriert werden, weshalb sich Betriebe auf den Umgang mit KI einstellen müssen und im besten Fall die einzigartigen Vorteile für sich zu Nutze machen sollten. Auf der einen Seite ermöglicht KI die Steigerung der Prozesseffizienz, dient als Lösungsansatz zur Schließung von Fachkräftelücken oder kann zu neuen Geschäftsmodellen führen. Aber auf der anderen Seite erweisen sich die unklare Rechtslage, der Marktvorteil der Konzerne und das erhöhte Gefahrenpotenzial von schadhaften digitalen Angriffen als zusätzliche Herausforderungen für KMU.
Zusammengefasst kann KI eine reelle Gefahr insbesondere auch für die Wirtschaftlichkeit deutscher KMU darstellen. Damit die Gesellschaft die Vorteile von KI optimal nutzen kann und gleichzeitig wirtschaftliche Nachteile für KMU minimiert werden, bedarf es regulatorischer Maßnahmen auf Bundes- und EU-Ebene. So etwa zur Schaffung von Rechtsklarheit insbesondere beim Datenschutz und Urheberrecht, sowie gezielte Förderungen für deutsche KMU und ihre KI-Entwicklung zur Entzerrung des Wettbewerbs. Hierfür setzt sich der DMB als politisches Sprachrohr des deutschen Mittelstandes ein.
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Quellen:
2 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (2023)
3 AI Index Report 2023 der Stanford University
5 Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) (2023)
7 Entwurf einer EU-Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für KI (2023)
Dieser Beitrag ist Teil von Mittelstand WISSEN zum Thema "Arbeitswelt von morgen".