Tipps zur Anpassung an Klimafolgen
Begrünte Flächen auf dem Betriebsgelände fördern die Entstehung von Kaltluft und können so für Abkühlung in Hitzeperioden sorgen.
Auch in Deutschland werden die Folgen des Klimawandels bereits spürbar. Da sich dies auch auf die Produktivität von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) auswirken kann, sollten diese sich frühzeitig mit möglichen Risiken für den eigenen Betrieb auseinandersetzen. Dieser Beitrag bietet praktische Hinweise, was es dabei zu beachten gilt.
Hitzeperioden in den Sommermonaten vergangener Jahre und das Hochwasser im Juli 2021 in einigen Regionen Deutschlands machen den fortschreitenden Klimawandel spürbar. Laut einer Bilanz des Gesamtverbandes Deutscher Versicherer (GDV) verursachten Schäden durch Naturgefahren wie Sturm, Hagel oder Starkregen im Jahr 2020 hierzulande Versicherungskosten in Höhe von rund 2,5 Milliarden Euro. Durch die Veränderung des Klimas werden Extremwetterereignisse künftig wahrscheinlich häufiger und intensiver auftreten. Dies kann auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bedrohen und wirtschaftliche Einbußen verursachen. Jedes Unternehmen sollte sich daher mit potenziellen Risiken des Klimawandels für den eigenen Betrieb auseinandersetzen. Häufig besitzen KMU allerdings nicht die erforderlichen Kapazitäten sowie das notwendige Wissen über Auswirkungen des Klimawandels und geeignete Präventionsmaßnahmen. Die folgenden Tipps sollen es KMU erleichtern, das eigene Risiko zu ermitteln und sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen.
Tipp 1: Handeln, bevor ein Schaden eintritt
KMU sollten sich mit den Risiken des Klimawandels für ihre Arbeit und Lieferkette beschäftigten, bevor ein Schadensereignis eintritt. Die Kosten geeigneter Anpassungsmaßnahmen sind oft deutlich geringer als die wirtschaftlichen Einbußen, die durch klimawandelbedingte Beeinträchtigungen entstehen. KMU sollten sich daher proaktiv mit dieser Herausforderung beschäftigen.
Neben der aktiven Anpassung ist außerdem ein effektiver Klimaschutz die beste Prävention gegen die Auswirkungen des Klimawandels. Denn nur so lässt sich verhindern, dass sich die bereits heute spürbaren Auswirkungen des Klimawandels weiter verschärfen. Klimaschutz ist auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Je gravierender die Auswirkungen der globalen Erderwärmung nämlich werden, desto höhere Kosten entstehen einem Unternehmen für notwendige Anpassungen.
Tipp 2: Das individuelle Risiko analysieren
Am Anfang geht es für KMU darum, individuell zu analysieren in welcher Form und in welchem Ausmaß das eigene Unternehmen von den Folgen des Klimawandels betroffen ist. Neben dem eigenen Standort bzw. der eigenen Infrastruktur sollten alle Arbeits- und Produktionsprozesse sowie die eigene Lieferkette und Handelspartner betrachtet werden. Es gilt dabei auch zu überprüfen, ob in der Vergangenheit bereits klimawandelbedingte Probleme und Schäden für das Unternehmen aufgetreten sind und wie mit ihnen umgegangen wurde. Ob bereits bei der Risikoanalyse ein Fachexperte hinzugezogen werden sollte, hängt vom Know-how der eigenen Beschäftigten ab. „Je nach fachlichem Kenntnisstand kann auch ein Mitarbeiter die Risikoanalyse selbst durchführen“, sagt Dr. Tobias Kemper vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV).
Tipp 3: Öffentlich zugängliche Tools und Informationen nutzen
Eine Reihe öffentlich zugänglicher Tools und Informationsangebote unterstützen dabei, das eigene Risiko einzuschätzen. Für KMU eignen sich folgende Tools und Angebote:
Klimacheck-Tool:
Das Klimacheck-Tool des Bundeswirtschaftsministeriums eignet sich insbesondere für KMU aus dem produzierenden Gewerbe. Sie können überprüfen ob und in welcher Form ihre Lieferkette von den Folgen des Klimawandels betroffen ist und entsprechende Anpassungsmaßnahmen ableiten. Das Tool führt die Nutzer in vier aufeinanderfolgenden Modulen schrittweise an den Umgang mit Risiken durch den Klimawandel heran. Hinterher lassen sich die Ergebnisse in bestehende Managementsysteme des Unternehmens einbinden. Das Klimacheck-Tool kann von KMU selbst ausgefüllt werden und soll als Einstieg in das Thema dienen.
ClimateRisk-Mate:
Das „ClimateRisk-Mate“-Tool unterstützt Unternehmen dabei, Klimarisiken entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette zu identifizieren und zu bewerten. Das Tool dient als Anregung und Mustervorlage, die an die individuellen Belange und Voraussetzungen eines Unternehmens angepasst werden können. So kann die Mustervorlage an Lieferanten oder einzelne Unternehmensstandorte gesendet und von den jeweiligen Beauftragten ausgefüllt werden, damit diese ein Self-Assessment durchführen können. Auch hier können bestimmte Punkte aus „ClimateRisk-Mate“ mögliche bereits vorhandene unternehmensinterne Checklisten und Tools zum Risikomanagement erweitern.
Deutsches Klimavorsorgeportal der Bundesregierung (KLiVO-Portal):
Das Deutsche Klimavorsorgeportal unterstützt bei der Prävention gegenüber den Folgen des Klimawandels, indem es hilfreiche Daten und Informationen in Form von Karten, Leitfäden, Webtools sowie Qualifizierungsangeboten bündelt.
KlimaFolgenCheck:
Beim KlimaFolgenCheck des Rheinland-Pfalz Kompetenzzentrums für Klimawandelfolgen können KMU ihre eigenen Klimarisiken bestimmen, indem sie online einen Fragebogen von rund 30 Fragen beantworten. Die Fragen beziehen sich unter anderem auf die geographische Lage, Größe und Branche des Unternehmens, dessen Lieferketten, Ausstattung des Firmengeländes, Auswirkungen bisheriger Extremwetterereignisse auf die Betriebsabläufe, Versicherungsschutz sowie auf Wasser- und Energieversorgung. Anschließend erhält man eine Auswertung mit möglichen Strategien und konkreten Anpassungsmaßnahmen.
GIS-ImmoRisk Naturgefahren:
Über die Adresssuche lässt sich mit dem GIS-ImmoRisk Naturgefahren des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung nach dem eigenen Firmenstandort suchen und eine standortspezifische Gefährdungsbeurteilung einholen. Auf diese Weise können KMU das Risiko an ihrem Standort für den Eintritt von Wintersturm, Hagel, Erdbeben, Hitze, Starkregen, Waldbrand, Blitzschlag oder Schneelast ermitteln. Zu jeder dieser Naturgefahren ist außerdem ein ausführliches Informationsblatt mit Hintergründen und passenden Vorbeugemaßnahmen abrufbar.
klimAix-AnfälligkeitsCheck:
Mit dem AnfälligkeitsCheck können KMU anhand der Beantwortung von 26 Fragen eine erste grobe Einschätzung einholen, wie anfällig ihre Gewerbefläche gegenüber Extremwetterereignissen und deren Folgen ist.
Hochwasser-Pass:
Das HochwasserKompetenzCentrum e. V. bietet einen Fragenkatalog zum Ist-Zustand des eigenen Gebäudes, in dem speziell die Belange der Hochwasser-Prävention thematisiert werden. Nach Beantwortung der Fragen prüft ein Sachkundiger alle Angaben auf Plausibilität und Richtigkeit und man erhält einen Hochwasserpass, indem der Gefährdungsstatus des eigenen Gebäudes sowie eventuell getroffene Schutzmaßnahmen kostenpflichtig bescheinigt werden.
Tipp 4: An Vorbildern orientieren
Einige Unternehmen haben bereits Maßnahmen ergriffen und sich so aktiv auf ihr Risiko des Klimawandels eingestellt. Es lohnt sich, das Beispiel dieser Unternehmen zu betrachten und sich gegebenenfalls an ihnen zu orientieren. So kann man sich nicht nur von ihren Maßnahmen inspirieren lassen, sondern auch direkt Kontakt mit ihnen aufnehmen und mehr über ihr Vorgehen erfahren. Die KomPass-Tatenbank des Umweltbundesamtes führt mehr als 200 Praxisbeispiele zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels auf, darunter auch einige in Unternehmen. Neben dem Einblick in interessante Praxisbeispiele anderer Unternehmen kann man dort auch eigene Erfahrungen mit anderen teilen, indem man laufende oder bereits abgeschlossene Anpassungsmaßnahmen selbst einträgt.
Tipp 5: Klimarisiken bereits bei der Standortwahl berücksichtigen
Mögliche Auswirkungen des Klimawandels sollten KMU von Anfang an berücksichtigen, wenn sie ihren Standort auswählen. Das Standortrisiko kann auch die Kommune beeinflussen, in der ein Unternehmen ansässig ist. Daher sollte man betrachten, inwiefern die Kommune bei der Ausweisung eines Gewerbegebietes bereits organisatorische oder technische Schutzmaßnahmen gegen mögliche Klimarisiken getroffen hat.
Tipp 6: Für jedes Risiko die passende Anpassungsmaßnahme wählen
Unterschiedliche Klimafolgen können durch spezifische Vorkehrungen, wenn nicht verhindert, so doch zumindest abgemildert werden. Die Bandbreite reicht von niedrigschwelligen, schnell umsetzbaren Maßnahmen wie Trinkwasserspendern oder Sonnenschutz bei Hitzeperioden über umfassendere Vorkehrungen wie Fassaden- und Dachbegrünung oder Anpassungskonzepte und Weiterbildungen bis hin zu aufwendigeren und kostenintensiveren Präventionsmaßnahmen gegen Hochwasser oder länger andauernde Trockenheit.
Durch Pflanzen begrünte Dächer und Fassaden können gegen Hitze und Kälte isolieren und Niederschläge abpuffern. Große Freiflächen auf dem Firmengelände fördern die Entstehung von Kaltluft, während entsiegelte Rückhalte- und Versickerungsflächen mögliche Überschwemmungen in Folge von Starkregen abschwächen. Können keine Grünflächen geschaffen werden, sollte die Bodenversiegelung auf ein notwendiges Maß reduziert werden. Dazu eignen sich zum Beispiel Rasengittersteine.
Welche Maßnahmen in Betracht kommen, sollte immer aus der individuellen Risikoanalyse abgeleitet werden.
Tipp 7: Fachberatung hinzuziehen
Während die Analyse des eigenen Risikos je nach fachlichem Kenntnisstand auch noch die eigenen Mitarbeitenden durchführen können, sollten sich KMU bei konkreten Präventionsvorhaben an Experten wenden. „Wenn es darum geht, passende Maßnahmen vorzunehmen, sollte eine Fachberatung eingeholt werden“, rät Kemper. Zur Planung und Umsetzung erforderlicher Anpassungsmaßnahmen sollte man sich an ein Ingenieurbüro wenden.
Tipp 8: Förderprogramme nutzen
Zur Finanzierung von Anpassungsvorhaben sollten bestehende Förderprogramme genutzt werden. Die KfW fördert mit ihrem Umweltprogramm die Anpassung an den Klimawandel von KMU. Dazu gehören zum Beispiel Vorkehrungen zum Schutz vor Hitzebelastungen oder Starkregen, oder auch Maßnahmen, um das Betriebsgelände naturnah zu gestalten. Dafür erhalten Unternehmen ein Darlehen, das bis zu 25 Millionen Euro pro Vorhaben betragen und so bis zu 100% der Investitionskosten abdecken kann. Kleine Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern und maximal 10 Millionen Euro Jahresumsatz profitieren dabei von einem günstigeren Zinssatz als größere Unternehmen.
Im Rahmen des Umweltinnovationsprogramms des Bundesumweltministeriums (BMU) werden außerdem modellhafte Investitionsvorhaben gefördert, mit denen eine Anpassung an den Klimawandel erreicht werden soll, sofern dadurch Umweltbelastungen unmittelbar vermindert oder vermieden werden. Die Förderung erfolgt hier entweder durch einen Investitionszuschuss oder über einen Kredit mit Zinszuschuss des BMU.
Tipp 9: Versicherung abschließen
Viele Risiken des Klimawandels lassen sich durch präventive Maßnahmen zwar verringern, aber nicht vollständig verhindern. Gegen verbliebene Risiken kann eine Elementarschadenversicherung helfen. Eine solche Versicherung deckt Schäden ab, die durch Gefahren der Natur hervorgerufen werden. KMU sollten daher überprüfen, ob sie bereits eine Elementarschadenversicherung besitzen und welche Schadensfälle ihr bisheriger Versicherungsschutz abdeckt. Was es bei der Versicherung gegen Schäden durch Extremwetterereignisse zu beachten gilt, darüber spricht Stefan Opalka vom Verband öffentlicher Versicherer (VöV) in einem Interview mit dem DMB.
Dieser Beitrag ist Teil von Mittelstand WISSEN zum Thema "Unternehmerische Widerstandsfähigkeit"